Während des Aufwachsens werden trans- und nichtbinäre Jugendliche häufig von ihrem sozialen Umfeld dazu gedrängt, "bestimmte geschlechtliche Verhaltensweisen an den Tag zu legen, die als eindeutig männlich oder weiblich gelesen werden können, damit Betroffene endlich vermeintlich geschlechtlich eindeutig zugeordnet sind. Hierzu gehört die Aufforderung, die eigene sexuelle und körperliche Entwicklung als eindeutig binär und heterosexuell aktiv unter Beweis zu stellen, - oder das Ausfragen nach sexuellen Vorlieben. Spezifisch für trans- und nichtbinäre Menschen ist der Druck, der damit einher geht, diesen Anrufungen aus Angst vor Sichtbarkeit gegen den eigenen Willen nachzukommen. Wenn Betroffene diese Aufforderungen als Zwang erleben, können sie Versuche unternehmen, um diesen zu entsprechen. Dabei können Situationen entstehen, in denen Betroffene sexuelle Grenzüberschreitungen gegen sich in Kauf nehmen und/oder eigene Grenzen bzw. die Grenzen Anderer überschreiten.
Darüber hinaus kommt es zu sexualisierten Übergriffen oder Handlungen gegen die sexuelle Selbstbestimmung, wenn Dritte (meist Peers oder Familienmitglieder) das ´wahre´Geschlecht von Betroffenen ´überprüfen´ wollen und deswegen ungewollt den Körper berühren oder die Genitalien von Betroffenen gegen deren Willen entblößen. An diese Entblößungen können sich weitere Formen sexualisierter Gewalt anschließen. So berichten Betroffene von ´corrective rape´ als Form sexualisierter Gewalt, die darauf ausgerichtet ist, eine vermeintlich normative geschlechtliche Eindeutigkeit (wieder)herzustellen. In dem Akt vermeintlicher ´Korrektur´ wird deutlich sichtbar, was allen Formen der hier beschriebenen sexualisierten Gewalt innewohnt: eine spezifische Naturalisierung von Zweigeschlechtlichkeit ..."
"Vergewaltigungen mit dem Ziel einer Korrektur geschlechtlicher Performance" soll die soziale Ordnung heteronormativer Zweigeschlechtlichkeit dienen. Täubrich zieht Parallelen zu "homofeindlicher Gewalt gegen lesbische und schwule Menschen: auch gegen sie wird sexualisierte Gewalt in Form von vermeintlich korrigierender Vergewaltigung eingesetzt ..."
Psychologie & Gesellschaftskritik 2024-3-4 (191)
Anike Krämer, Julia Struppe-Schanda (Hrsg.) Vergeschlechtlichte Gewalt.
Pabst: 48.Jahrgang, Print ISSN 0170-0537, PDF ISSN 0170-0537