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Forensik: Minimale Spielräume für gute Psychiatrie und Psychotherapie

Forensik: Seit der spektakulären Affäre Mollath kommt die Fachdiskussion um Fehlgutachten und Fehlurteile nicht zur Ruhe. Professor Dr. Dirk Fabricius (Bremen) berichtet in der Fachzeitschrift "Psychologie und Gesellschaftskritik" über einen vergleichbaren und ähnlich verhängnisvollen Fall. Der Vorgang ist nicht wirklich atypisch für die Forensik; denn im strafprozessualen Feld bringen systemisch induzierte Einflüsse die Beteiligten regelmäßig vom gesetzlich vorgeschriebenen wahrheitssuchenden Kurs ab. Die herausragenden Unrechtsfälle unterscheiden sich von unspektakulären Normalfällen nur darin, dass solche Einflüsse besonders zahlreich, kräftig und additiv wirken, resümiert der Strafrechtler, Kriminologe und Rechtspsychologe.

"Institutionelle Anpassungsmechanismen erfassen Gutachter (Psychiater, Psychologen) sowie beteiligte Juristen. Erosion von Gewissensfunktionen und Induktion von Verleugnungsprozessen sind die Folge. Die Gutachter sind der wissenschaftlich neutralen Position also schon von Anfang an entrückt, wenn sie sich dem gesetzlichen und institutionellen Rahmen der Strafjustiz unterwerfen.
 
Umgekehrt nutzen Juristen die Psychiatrie im Wesentlichen dazu, Entscheidungen zu legitimieren. Damit können ein Zuwachs an Erkenntnis und ein größerer Wahrheitsgehalt einhergehen. Aber das ist nicht das zentrale Ziel. Insofern handelt es sich generell um einen Missbrauch der Psychiatrie. Dieser erweist sich für das Begutachtungswesen sowohl im Erkenntnis- wie im Vollstreckungsverfahren als auch im Vollzug als ubiquitär. Immer gilt es, den Schein der sachlichen Legitimation bei faktischem Dezisionismus zu wahren, ordnungsstiftend die große Relevanz des individuellen freien Entschlusses zu fingieren. Die Verlockungen, durch die Erstattung von Gutachten Einfluss auf Entscheidungen zu gewinnen, an staatlicher Macht teilzuhaben, erweisen sich als relevant.
 
Die Möglichkeit, unter den gegebenen theoretischen Konzepten und organisatorischen Anordnungen tatsächlich die psychologisch-psychiatrisch relevanten Wahheiten zu finden und gestützt darauf adäquate Behandlungen durchzuführen, ist von vornherein gering. Da dies mithin kein realistisches Ziel sein kann, liegt es nahe, dass andere Ziele an die Stelle treten. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, den genannten Verlockungen nachzugehen. Mit der ubiquitär vorgesehenen Therapie für Sexualstraftäter, den zahlreichen Notwendigkeiten für Gutachten, auch für externe Gutachten, haben sich die Psychowissenschaften viele Arbeitsplätze und Honorare erkämpft. Ein Rationalitäts- wie Sozialisierungsgewinn lässt sich bisher jedoch nicht feststellen ..."

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