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Chronischer Schmerz: Patienten sollen ihre Trauer zulassen und intensiv erleben

Fast 12 Millionen Menschen in Deutschland leiden ständig oder häufig unter Schmerzen und empfinden meist Trauer über den Verlust eines schmerzfreien Lebens. Die Traurigkeit sollte zugelassen, intensiv erlebt und als natürliche Reaktion auf das Leid verstanden werden, empfiehlt die Schmerzpatientin und Schmerztherapeutin Ursula Frede in einem aktuellen Beitrag in Verhaltentherapie und Verhaltensmedizin.

Kognitiv-verhaltenstherapeutische Schmerzbewältigungskonzepte sind nur wenig erfolgreich. Daher "finden achtsamkeits- und akzeptanzbezogene Ansätze zunehmend Beachtung. Hier geht es nicht mehr darum, den Schmerz zu beseitigen; vielmehr soll sein Einfluss auf den Alltag möglichst gering gehalten werden. Für den Patienten hat sich nur vordergründig etwas geändert. Sowohl beim Bewältigungs- als auch beim Achtsamkeits-Ansatz muss er einer vorgegebenen Norm genügen.

Beide Ansätze betonen die Bedeutung dysfunktionaler und funktionaler Reaktionen, wecken die Vorstellung richtiger Denk- und Verhaltensweisen, durch die das Schmerzerleben kontolliert und der Schmerz reduziert werden kann. Im Rahmen eines solchen Konzepts, bei dem positives Denken und Fühlen gleichsam zur Pflicht erhoben werden, hat Traurigkeit keinen Raum. Der Eigenwert der Trauer wird nicht gesehen, ihr offener Ausdruck ist unerwünscht. Für Patienten, die über ihre Traurigkeit sprechen oder gar weinen, ist die Diagnose ´psychisch labil´oder ´reaktiv depressiv´schnell bei der Hand," kritisiert die Diplom-Psychologin und stellt die rhetorische Frage:

"Was wäre, wenn wir den Schmerz aus einer neuen Perspektive betrachten, ihn nicht länger als Problem sähen, das gelöst werden muss, sondern als Merkmal menschlicher Existenz, mit dem es zu leben gilt? Bei aller Verschiedenheit der Krankheitsverarbeitung stimmen kranke Menschen aller Zeiten und Kulturen darin überein, dass dem Unbeeinflussbaren gegenüber nur die Zustimmung bleibt. Chronischen Schmerz anzunehmen heißt nicht, ihn zu mögen oder zu resignieren, bedeutet vielmehr, ihn als naturgegeben zur Kenntnis zu nehmen - jenseits aller Wertung. Letztlich geht es um nichts anderes als darum, das Leben anzunehmen - seine hellen ebenso wie seine dunklen Seiten. Wenn uns das gelingt, dann müssen wir nicht immer nur kämpfen. Dann dürfen wir auch einfach traurig sein."

Verstehen wir den Schmerz und die Trauer als zum Leben dazugehörig, bewahren wir uns vor unnötigem Leid, das mit dem Diktat funktionaler Bewältigungsstrategieen verbunden sein kann, empfiehlt Frede. Auf dieser Basis baut sie ein eigenes Schmerztherapie-Konzept auf.

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