Inhaltsverzeichnis
Editorial
Claudia Kirsch
Mutter-Kind-Maßnahmen: Wandelnde Anforderungen, künftige Entwicklungen
Claudia Kirsch, Friederike Otto, Deborah Leddin, Stefanie Sperlich & Siegfried Geyer
Familienmaßnahmen im Setting von Mutter-/Vater-Kind-Vorsorgeeinrichtungen – Belastungen der Mütter und Väter und ihre Gründe für die Inanspruchnahme
Monique Förster, Friederike Otto, Jette Jax, Lena Löffler & Claudia Kirsch
Maßnahmen der verhältnisbezogenen Prävention und Gesundheitsförderung zur Verbesserung der psychischen Gesundheit von armutsbelasteten Familien – Ergebnisse eines Scoping Reviews
Doreen Kuschick, Joachim Kuck, Petra Rattay, Anastasiia Lotysh & Raimund Geene
Psychische Gesundheit von Müttern während der Corona-Pandemie – Zusammenhänge mit einer veränderten Mutter-Kind-Beziehung
Deborah Leddin, Jelena Epping & Claudia Kirsch
Steigerung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität nach stationären Mutter-Kind-Maßnahmen – Ergebnisse der RessQu-Studie
Friederike Otto, Deborah Leddin, Monique Förster & Claudia Kirsch
Zusammenhänge zwischen dem sozioökonomischen Status und Adipositas bei Frauen und Männern mit und ohne Kinder
Petra Rattay, Nadine Grigo & Anja Schienkiewitz
Therapeutische Maßnahmen stationärer Mutter-Kind-Vorsorgemaßnahmen – Analyse anhand der Klassifikation therapeutischer Leistungen
Claudia Kirsch, Deborah Leddin, Friederike Otto & Monique Förster
Sind Wirkfaktoren der Psychotherapie auch für die psychosoziale Beratung relevant? Eine Befragung in Tagesstätten für Menschen mit einer psychischen Erkrankung
M. Isabel Sprandel, Marc Augustin & Christian Zwingmann
Editorial
Claudia Kirsch
Mutter-Kind-Maßnahmen: Wandelnde Anforderungen, künftige Entwicklungen
Claudia Kirsch, Friederike Otto, Deborah Leddin, Stefanie Sperlich & Siegfried Geyer
Zusammenfassung
Mit Blick auf demografische, soziale und gesundheitliche Aspekte soll in diesem Beitrag untersucht werden, wie sich Mutter-Kind-Maßnahmen in den kommenden Jahren entwickeln werden und welchen Herausforderungen sie sich stellen müssen. Aufgrund des Altersaufbaus der deutschen Gesellschaft wird sich die Zahl potentieller Inanspruchnehmerinnen von Mutter-Kind-Maßnahmen innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte reduzieren. Der Anteil der Mütter mit Migrationshintergrund wird annähernd konstant bleiben. Zudem weisen die Befunde auf eine Unterversorgung von bildungsbenachteiligten Müttern hin. Diese sozialen Gruppen, die am stärksten von persönlichen, beruflichen und Krankheitsbelastungen betroffen sind, werden somit in Mutter-Kind-Maßnahmen schwerer erreicht. Rückenschmerzen, Erschöpfung, psychische Störungen sowie Adipositas sind aufgrund steigender bzw. hoher Prävalenzen die Erkrankungen, die künftig noch mehr im Vordergrund der Behandlungen stehen sollten. Diese kommen teilweise durch eine familiäre Belastung zustande, bedingt durch die Ausführung mehrerer Rollen, sowie erhöhter nervlicher und auch zeitlicher Arbeitsplatzbelastungen. Angesichts der demografischen Entwicklung werden künftig nur solche Mutter-Kind-Einrichtungen wettbewerbsfähig bleiben, die den veränderten Anforderungen gerecht werden.
Schlüsselwörter: Mutter-Kind-Maßnahme, Demografie, soziale Unterschiede, Erkrankungsrisiken
Mother-child measures: Changing requirements, future developments
Abstract
Focused on demographic, social and health aspects, this article examines how mother-child measures will develop in the coming years and the challenges they have to face. Due to the ongoing demographic aging of the German population, the number of potential recipients of mother-child measures will decrease within the next two decades. The proportion of mothers with a migration background is expected to remain almost
constant. The findings also suggest an undersupply of educational disadvantaged mothers. Overall our findings indicate that the social groups, which are most severely affected by personal, occupational and disease burdens, are difficult to reach with mother-child measures. Back pain, exhaustion, mental disorders and obesity revealed to be the diseases with a high and even increasing prevalence among mothers and
they should therefore be the focus of future treatment. They are partly due to family-related burdens, role-overload, as well as increased workload. In view of the demographic change, only those mother-child facilities will remain competitive in the future that can meet the changed requirements.
Keywords: Mother-child measure, demography, social inequality, disease risks
Korrespondierende Autorin:
Claudia Kirsch
M.A. Public Health/Pflegewissenschaften
Wissenschaftliche Leiterin des Forschungsverbundes
Familiengesundheit, Medizinische Soziologie, OE 5420
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover
kirsch.claudia@mh-hannover.de
Familienmaßnahmen im Setting von Mutter-/Vater-Kind-Vorsorgeeinrichtungen – Belastungen der Mütter und Väter und ihre Gründe für die Inanspruchnahme
Monique Förster, Friederike Otto, Jette Jax, Lena Löffler, Claudia Kirsch
Zusammenfassung
In der Gesellschaft entwickelt sich das Familienbild zu einer gleichgestellten Partner- und Elternschaft und die Nachfrage nach sogenannten Familienmaßnahmen in stationären Mutter-/Vater-Kind-Vorsorgeeinrichtungen steigt. Bei einer Familienmaßnahme steht das System Familie im Vordergrund und Belastungen werden in diesem System betrachtet und behandelt. Belastungen können durch mütter-/väterspezifische sowie allgemeine Kontextfaktoren entstehen, die in den Vorsorgekonzepten der Kliniken und den Behandlungsangeboten Berücksichtigung finden. Mithilfe der Studie sollen die Belastungen und Stressoren von Müttern und Vätern, die an einer Familienmaßnahme teilnehmen sowie ihre Gründe für die Inanspruchnahme einer solchen Maßnahme ermittelt werden. Mithilfe von halbstandardisierten Leitfadeninterviews wurden 17 Elternpaare getrennt voneinander interviewt, die in einer stationären Vorsorgeeinrichtung an einer Familienmaßnahme teilnahmen. Die Interviews wurden aufgezeichnet, transkribiert und mithilfe der inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz ausgewertet. Die Mütter und Väter in der Familienmaßnahme erleben Belastungen durch Auslöser für Stress im Alltag, hierbei durch ihren Arbeitsplatz, Zeit- und Termindruck, mangelnde Zeit für sich selbst, familiären Stress, Belastungen der Kinder und finanzielle Sorgen. Belastungen erleben sie ebenfalls durch gesundheitliche Beschwerden. Zu den Gründen der Mütter und Väter für die Familienmaßnahme zählen die Wichtigkeit für die Familie und den Zusammenhalt, demnach gemeinsam Zeit zu verbringen, die Beziehungen und die gesamte Familie zu stärken, dass beide Elternteile gemeinsam lernen und sie Zeit und professionelle Unterstützung bei Problemen oder schwierigen Phasen erhalten. Zudem zählt zu den Gründen die Möglichkeit der gegenseitigen Unterstützung während der Maßnahme und dass sie keine Trennung von dem Partner bzw. der Partnerin oder den Kindern gewollt hätten. Die Stressoren und Belastungen, die die interviewten Mütter und Väter angeben, wurden bereits in verschiedenen Studien sowohl zur Allgemeinbevölkerung als auch in Mutter-Kind-Maßnahmen identifiziert. Hier zeigen die Mütter und Väter in der Familienmaßnahme keine Unterschiede. Mithilfe der qualitativen Untersuchung konnte jedoch ergänzend gezeigt werden, dass die Belastungen untereinander in Kombination stehen und individuelle Stressoren sich auf das Familienleben auswirken und familiäre Stressoren wiederum die Elternteile individuell belasten. Die Gründe für die Familienmaßnahme verdeutlichen die Bedeutung der Familie als Einheit, die in der Maßnahme gestärkt werden soll. Die gegenseitige Unterstützung während der Maßnahme ist den Eltern aufgrund der umfänglichen Nutzung des Angebots wichtig und von der gemeinsamen Zeit in der Maßnahme profitieren alle Familienmitglieder. Die aktuelle Gesetzeslage sieht derzeit keine Familienmaßnahmen vor, obwohl der Bedarf für die Durchführung einer solchen stationären Vorsorge- bzw. Rehabilitationsmaßnahme vorhanden ist.
Schlüsselwörter: qualitative Forschung, Familienmaßnahmen, Vorsorge, Eltern-Kind-Klinik
Family measures in the setting of mother-/father-child provision institutions – Strains on mothers and fathers and their reasons for the utilization
Abstract
In society, the image of the family is developing towards an equal partnership and parenthood, the demand for so-called family measures in stationary mother-/father-child provision institutions is increasing. A family measure focuses on the family system and strains are considered and treated in this system. Strains can arise from mother-/father-specific as well as general contextual factors, which are taken into treatment
range in the concepts of the preventive clinics and the treatment offers. With the help of the study, the strains and stressors of mothers and fathers who participate in a family measure as well as their reasons for the utilization for such a measure will be determined. Using semi-standardized guided interviews, 17 pairs of parents were interviewed separately who participated in a family measure in a stationary provision institution. The interviews were recorded, transcribed and analyzed using qualitative content analysis according to Kuckartz. The mothers and fathers in the family measure experience stress from triggers for stress in everyday life, here from their workplace, time and deadline pressure, lack of time for themselves, family stress, burdens on the children and financial worries. They also experience stress from health problems. The reasons given by mothers and fathers for the family measure include the importance for family and cohesion, therefore spending time together, strengthening relationships and the entire family, that both parents learn together and that they have time and professional support with problems or difficult phases. The reasons also include the possibility of professional aid during the measure and that they would not have wanted to be separated from their partner or children. The stressors reported by the mothers and fathers interviewed have already been identified in various studies both on the general population and in mother-child measures. Here the mothers and fathers show no differences in the family measure. With the help of the qualitative study, however, it was also possible to show that the stresses are combined with each other and that individual stressors affect family life and that family stressors in turn burden the parents individually. The reasons for the family measure illustrate the importance of the family as a unit, which is intended to be strengthened in the measure. Mutual support during the measure is important to the parents due to the extensive use of the offer and all family members benefit from the time spent together in the measure. The current legal situation does not currently provide for any family measures, although there is a need to carry out such inpatient provision or rehabilitation measures.
Keywords: qualitative research, family measures, preventive care, parent-child clinic
Korrespondierende Autorin:
Monique Förster
M.Sc. Public Health
Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Forschungsverbundes
Familiengesundheit
Medizinische Soziologie, OE 5420
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover
foerster.monique@mh-hannover.de
Maßnahmen der verhältnisbezogenen Prävention und Gesundheitsförderung zur Verbesserung der psychischen Gesundheit von armutsbelasteten Familien – Ergebnisse eines Scoping Reviews
Doreen Kuschick, Joachim Kuck, Petra Rattay, Anastasiia Lotysh & Raimund Geene
Kurzfassung
Hintergrund: Von Armut betroffene Familien sind auf vielfältige Weise benachteiligt und sehen sich großen alltäglichen Herausforderungen gegenüber. Insbesondere die psychische Gesundheit der Kinder und Eltern kann durch das Leben in Armut negativ beeinflusst werden. Maßnahmen der verhältnisbezogenen Prävention und Gesundheitsförderung sind ein wichtiger Ansatzpunkt zur Verbesserung der psychischen
Gesundheit armutsbelasteter Familien. Systematische Literaturübersichten inklusive Aussagen zur Wirksamkeit verhältnispräventiver Maßnahmen liegen bisher speziell für die Zielgruppe der Familien in Armut nicht vor.
Methode: Es wurde ein Scoping Review in internationalen und nationalen Datenbanken (inklusive Handsuche und Citation Tracking) von Evaluationsstudien zu verhältnisbezogenen Maßnahmen für von Armut betroffene Familien durchgeführt, die Ergebnisse zur psychischen Gesundheit beinhalteten. Die Studienauswahl erfolgte in einem mehrstufigen Screeningprozess. Einbezogen wurden Studien aus dem Publikationszeitraum 2011 bis 2021.
Ergebnisse: Es wurden insgesamt 23 Einzelpublikationen gefunden, in denen 8 verschiedene Maßnahmen untersucht wurden. Es lassen sich 4 zentrale Handlungsfelder verhältnispräventiver Maßnahmen identifizieren: finanzielle Absicherung, Verbesserung der Wohnsituation, Beschäftigungsförderung sowie Multikomponenten- Angebote im kommunalen Setting. Hinsichtlich der Wirksamkeit der Maßnahmen lässt sich insgesamt kein eindeutiges Fazit ziehen. Für Maßnahmen, die direkte Unterstützung beispielsweise in Form von Geldleistungen bieten, zeigen sich eher positive Wirkungen auf die psychische Gesundheit, während bei Maßnahmen mit stark verpflichtendem Charakter und bei einzelnen settingbasierten Multikomponenten-Angeboten keine bis negative Effekte auf die psychische Gesundheit zu verzeichnen sind. Für
Deutschland konnte keine Studie gefunden werden, die den Einschlusskriterien in Gänze entsprach.
Schlussfolgerung: Die Übertragbarkeit der Evaluationsergebnisse auf Deutschland ist begrenzt. In Deutschland besteht ein großer Bedarf an qualitativ hochwertigen Evaluationsstudien zur Wirksamkeit von verhältnisbezogener Prävention und Gesundheitsförderung zur Verbesserung der psychischen Gesundheit von Eltern und Kindern aus armutsbelasteten Familien.
Schlüsselwörter: Verhältnisprävention, familiäre Gesundheitsförderung, Armut, Familie, psychische Gesundheit, Wohlbefinden
Environmental prevention and health promotion interventions to improve the mental health of families in poverty – results of a scoping review
Abstract
Background: Families in poverty are deprived in many ways and face major daily challenges. In particular, the mental health of children and parents can be negatively affected by living in poverty. Prevention and health promotion interventions related to the people's environment and living conditions (in short: environmental prevention) are an important starting point for improving mental health. Systematic literature
reviews including statements on the efficacy of measures of environmental prevention are not available so far, especially not for families living in poverty.
Methods: A scoping review in international and national databases (including hand-searching and citation tracking) of evaluation studies was conducted focusing on environmental interventions for families experiencing poverty and including mental health outcomes. Studies were selected along predefined inclusion and exclusion criteria using a multistep screening process. Studies published between 2011 to 2021 were included.
Results: A total of 23 publications were found in which 8 different interventions were evaluated. 4 central fields of action can be identified: financial security, improvement of the housing situation, employment support and multicomponent interventions in the community setting. Regarding the effectiveness of the interventions, no clear conclusion can be drawn. Measures that offer direct support, for example in the form
of cash benefits, tend to have positive effects on mental health, while measures with a strongly obligatory character and few setting-based multicomponent interventions have no or even a negative impact on mental health. For Germany, no studies were found that fully met the inclusion criteria.
Conclusion: The transferability of the evaluation results to Germany is limited. In Germany, there is a large need for high-quality evaluation studies on the effectiveness of environmental prevention and health promotion to improve the mental health of parents and children in poverty.
Keywords: prevention, family health promotion, poverty, family, mental health, well-being
Korrespondierende Autorin
Doreen Kuschik
M.Sc. Public Health
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
& Alice Salomon Hochschule Berlin, Berlin,
Deutschland
doreen-kuschick@t-online.de
Psychische Gesundheit von Müttern während der Corona-Pandemie – Zusammenhänge mit einer veränderten Mutter-Kind-Beziehung
Deborah Leddin, Jelena Epping & Claudia Kirsch
Kurzfassung
Hintergrund und Ziel: Eltern mussten in der Corona-Pandemie ihr Familien-, Berufs- und Privatleben neu organisieren und zumeist die Kinderbetreuung selbst übernehmen. Mehrere Studien belegten, dass sich die Corona-Pandemie negativ auf die psychische Gesundheit der Eltern auswirken und zu familiären Konflikten führen kann. Die vorliegende Studie analysiert, wie es Müttern, die 2018/2019 eine stationäre Mutter-
Kind-Vorsorge- bzw. Rehabilitationsmaßnahme in Anspruch genommen hatten, während der Corona-Pandemie (Juli bis Oktober 2020) psychisch erging. Ebenso wird untersucht, ob sich die Beziehung zu ihren Kindern während der Pandemie verändert hat und ob die Veränderung der Mutter-Kind-Beziehung mit der psychischen Gesundheit zusammenhängt.
Methode: Als Datengrundlage dient der fünfte Erhebungszeitpunkt der Studie „Ressourcenaktivierung und Steigerung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität durch stationäre Mutter-/Vater-Kind-Maßnahmen“ (RessQu). Die Befragung fand von Juli bis Oktober 2020 statt. 177 Mütter aus acht Mutter-/Vater-Kind-Kliniken nahmen daran teil. Die psychische Gesundheit der Mütter wurde mithilfe des Screenings auf
Depressivität, Angst und Stress (DASS-21) erfasst. Es wurden einfaktorielle Varianzanalysen (ANOVAs) gerechnet.
Ergebnisse: Von den drei Indikatoren der psychischen Gesundheit war Stress (M = 8,8, SD = 4,5) am höchsten ausgeprägt, gefolgt von Depression (M = 5,5, SD = 4,3) und Angst (M = 3,3, SD = 3,3). Alle drei Mittelwerte liegen unterhalb des Cut-off-Werts der jeweiligen Skala und sind als klinisch unauffällig zu interpretieren. Bei 18,6 Prozent der Mütter hatte sich die Beziehung zu ihren Kindern während der Corona-Pandemie verschlechtert und bei 32,2 Prozent hatte sich die Beziehung verbessert. Bei der Hälfte der Mütter hat sich die Mutter-Kind-Beziehung nicht verändert. Mütter, bei denen sich die Beziehung zu ihren Kindern verbessert hatte, hatten signifikant schwächer ausgeprägte Depressions- und Stresswerte als Mütter, bei denen sich die Beziehung zu ihren Kindern verschlechtert hatte. Bei den Angstwerten gab es keinen signifikanten Zusammenhang.
Schlussfolgerung: Die Depressions- und Stresswerte von Müttern hängen mit der Beziehung zu ihren Kindern zusammen. Den Familien sollten Unterstützungsmöglichkeiten geboten werden, die sowohl die psychische Gesundheit der Mütter in den Fokus nehmen als auch der Erhaltung einer guten Eltern-Kind-Beziehung dienen.
Schlüsselwörter: Müttergesundheit, psychische Gesundheit, Mutter-Kind-Beziehung, Mutter-Kind-Maßnahme, Covid-19
Mental health of mothers during the corona pandemic – correlations with a changed mother-child relationship
Abstract
Background and objective: In the corona pandemic, parents had to reorganize their family, professional and private life and organize childcare mostly themselves. Several studies have shown that the corona pandemic had a negative impact on the mental health of parents and led to family conflicts. The present study examines the mental well-being of mothers during the corona pandemic (July to October 2020), who took advantage of inpatient mother-and-child preventive or rehabilitation measures in 2018/2019. It also focused on the mother-child relationship and whether it has changed during this time and whether the change in the mother-child relationship is related to mental health.
Methods: The fifth wave of the longitudinal study "Resource activation and increase in health-related quality of life through inpatient mother/father-child measures" (RessQu) serves as the data basis. The survey took place from July to October 2020. 177 mothers from eight mother/father-child clinics took part. The mental health of mothers was recorded using the Depression Anxiety Stress Scales (DASS-21). One-way analysis of variance (ANOVA) was performed.
Results: Of the three indicators of mental health, stress (M = 8.8, SD = 4.5) was most pronounced, followed by depression (M = 5.5, SD = 4.3) and anxiety (M = 3.3, SD = 3.3). The three mean values are below the cutoff values and can be interpreted as clinically normal. 18.6 percent of all surveyed mothers reported a deteriorated relationship with their children during the corona pandemic while 32.2 percent reported an improved relationship. For one half of the sample the mother-child relationship had remained unchanged.
Mothers who reported improved relationships with their children had significantly lower levels of depression and stress than mothers who reported deteriorated relationships with their children. There was no significant correlation with the anxiety scores.
Conclusions: Mothers' depression and stress scores are related to their relationships with their children. Families should be offered supportive options that both promote the mental health of mothers and the support of a successful mother-child relationship.
Keywords: maternal health, mental health, mother-child relationship, mother-child measures, COVID-19
Korrespondierende Autorin:
Deborah Leddin
M.A. Soziologie
Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsverbund
Familiengesundheit
Medizinische Soziologie, OE 5420
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover
leddin.deborah@mh-hannover.de
Steigerung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität nach stationären Mutter-Kind-Maßnahmen – Ergebnisse der RessQu-Studie
Friederike Otto, Deborah Leddin, Monique Förster & Claudia Kirsch
Kurzfassung
Hintergrund: Die gesundheitsbezogene Lebensqualität (Health Related Quality of Life, HRQoL) ist in den letzten Jahrzehnten zu einem wichtigen Erfolgsindikator in der akutmedizinischen und rehabilitativen Behandlung geworden. In der Studie „Ressourcenaktivierung und Steigerung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität durch stationäre Mutter-/Vater-Kind-Maßnahmen“ (RessQu) wurde erstmalig die Veränderung
der HRQoL von Müttern im Kontext einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme nach §§ 24 und 41 SGB V unter Berücksichtigung der psychischen Belastungen der Patientinnen untersucht.
Methodik: Grundlage der Studie waren Befragungsdaten von 2018/2019 von 466 Müttern aus elf Kliniken. Die HRQoL wurde mit dem Short-Form-36 Health Survey (SF-36) sechs Wochen vor (T0) und sechs Monate nach (T3) der stationären Mutter-Kind-Maßnahme ermittelt und mit bevölkerungsrepräsentativen deutschen Normwerten von 1994 verglichen. Ausgewertet wurden die körperliche (KSK) und die psychische
(PSK) Summenskala des SF-36. Die psychischen Belastungen der Patientinnen wurden zu Beginn der Maßnahme (T1) und zu T3 mit der Kurzversion der Depressions-Angst-Stress-Skalen DASS-21 erfasst (kategoriale Auswertung über Cut-off-Werte). Varianzanalysen, t-Tests und Korrelationen wurden gerechnet.
Ergebnisse: Zu T0 wiesen die Patientinnen eine signifikant geringere KSK und PSK auf als Frauen der Referenzstichprobe. Nach sechs Monaten lag der KSK-Wert über dem der Vergleichsgruppe. Dagegen wiesen die Patientinnen auch sechs Monate nach der stationären Behandlung signifikant geringere PSK-Werte auf als Frauen der Referenzstichprobe.
Mütter mit auffälligen Depressions-, Angst- und Stresswerten zu T1 hatten geringere KSK-Werte als Mütter mit unauffälligen DASS-Werten, aber nur der Unterschied auf der Skala Angst war signifikant. Von T0 zu T3 stieg die HRQoL in allen Teilstichproben signifikant (p < .001) mit kleinen bis mittleren Effektstärken. Mütter mit auffälligen Depressions-, Angst- und Stresswerten zu T1 hatten sowohl vor als auch sechs Monate
nach der Maßnahme signifikant geringere PSK-Werte als Mütter mit DASS-Werten im unauffälligen Bereich. Die Steigerungen der PSK waren bei Müttern mit auffälligen Depressions- und Stresswerten groß (d > -.8), bei Müttern mit auffälligen Angstwerten und Frauen mit unauffälligen DASS-Werten mittelgroß (d > -.5). Zwischen den DASS-Skalen bestanden jeweils starke positive Korrelationen, zwischen PSK und den
DASS-Skalen mittlere bis starke negative Korrelationen. Zwischen KSK und PSK wurde ein schwacher negativer Zusammenhang gefunden.
Zusammenfassung: Die RessQu-Studie zur HRQoL hat gezeigt, dass Mütter, die an einer stationären Vorsorge- oder Reha-Maßnahme teilgenommen haben, zu Beginn in ihrer körperlichen und psychischen Funktionsfähigkeit eingeschränkt waren. Das betraf besonders Patientinnen mit hohen Belastungen durch Depression, Angst und Stress. In welchem Maß die Steigerung der HRQoL sechs Monate nach der Maßnahme auf die stationäre Behandlung zurückgeführt werden kann, sollte in weiteren Studien untersucht werden. Die psychische Belastung der Mütter sollte in der stationären Behandlung sowie in Nachbehandlungsempfehlungen beachtet werden.
Schlüsselwörter: Gesundheitsbezogene Lebensqualität, Stationäre Mutter-Kind-Maßnahmen, SF-36, DASS-21, Rehabilitation
Increasing health-related quality of life after inpatient mother-child measures – Results of the RessQu study
Abstract
Background: Health-related quality of life (HRQoL) has become an important indicator of success in curative and rehabilitative treatment in recent decades. In the study "Resource activation and increase of health-related quality of life through inpatient mother/father-child measures" (RessQu), the change in the HRQoL of mothers in the context of a preventive or rehabilitation measure according to §§ 24 and 41 of the
Fifth Book of the German Social Lawbook (SGB V) was examined for the first time, taking into account the psychological stress of the patients.
Methods: The study was based on survey data from 2018/2019 of 466 mothers from 11 rehabilitation centers. The HRQoL was determined with the Short-Form-36 Health Survey (SF-36) six weeks before (T0) and six months after (T3) the inpatient mother-child measure and compared with population-representative standard values from 1994. The physical component summary (PCS) and the mental component summary (MCS) of the SF-36 were evaluated. The psychological stress of the patients was recorded at the beginning of the measure (T1) and at T3 with the short version of the Depression Anxiety Stress Scale DASS-21 (categorical evaluation via cut-off values). Analyses of variance and t-tests were calculated.
Results: At T0, patients had a significantly lower PSC and MSC than women in the reference sample. After six months, the PSC value was above that of the comparison group. In contrast, the patients had significantly lower MSC values than the women in the reference sample, even six months after inpatient treatment. Mothers with abnormal depression, anxiety, and stress scores at T1 had lower PCS scores than mothers with normal DASS scores, but only the difference on the anxiety scale was significant. From T0 to T3, HRQoL increased significantly (p < .001) in all subsamples with small to medium effect sizes.
Mothers with conspicuous depression, anxiety and stress levels of T1 had significantly lower MCS both before and six months after the measure than mothers with DASS values in the inconspicuous area. The effect sizes of the increases in MCS were large in mothers with conspicuous DASS values (d > -.8), in mothers with inconspicuous DASS values they were medium in size (d > -.5). There were strong positive correlations between the DASS scales and medium to strong negative correlations between MCS and the DASS scales. A weak negative association was found between PCS and MCS.
Conclusion: The RessQu HRQoL study showed that mothers who took part in inpatient preventive or rehabilitation measures were initially restricted in their physical and psychological functioning. This particularly affected patients with high levels of depression, anxiety and stress. The extent to which the increase in HRQoL can be attributed to inpatient treatment six months after the measure should be investigated in
further studies. The psychological stress on the mothers should be taken into account in inpatient treatment and in recommendations for aftercare.
Keywords: Health Related Quality of Life, Inpatient mother-child measures, SF-36, DASS-21, Rehabilitation
Korrespondierende Autorin:
Friederike Otto
Diplom-Pädagogin
Medizinische Hochschule Hannover
Medizinische Soziologie OE 5420
Carl-Neuberg-Str. 1
30625 Hannover
otto.friederike@mh-hannover.de
Zusammenhänge zwischen dem sozioökonomischen Status und Adipositas bei Frauen und Männern mit und ohne Kinder
Petra Rattay, Nadine Grigo & Anja Schienkiewitz
Zusammenfassung
Der Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status (SES) und Adipositas ist für Frauen und Männer in Deutschland gut belegt. Ob dieser Zusammenhang bei Frauen und Männern, die mit Kindern zusammen in einem Haushalt leben, in gleicher Weise besteht wie bei Frauen und Männern ohne Kinder, ist hingegen bislang kaum untersucht worden. Ziel der vorliegenden Studie ist es daher zu analysieren, ob der Zusammenhang zwischen dem SES und Adipositas bei Frauen und Männern mit und ohne Kinder im Haushalt variiert. Die Analyse basiert auf den Daten der GEDA-Studie 2009, 2010 und 2012. Die Stichprobe umfasst 39.096 Frauen und Männer im Alter von 18 bis 54 Jahren. Es wurden Prävalenzen für Adipositas stratifiziert nach SES für Frauen und Männer mit und ohne Kinder im Haushalt berechnet. Mittels logistischer Regression wurden Odds Ratios für die Haupteffekte SES und Elternstatus (minderjähriges Kind im Haushalt: ja/nein) berechnet. Durch die Hinzunahme des Interaktionsterms aus SES und Elternstatus wurde zudem überprüft, ob der Zusammenhang zwischen dem SES und Adipositas durch den Elternstatus moderiert wird.
Kontrolliert wurde für Alter, Migrations-, Partner- und Erwerbsstatus sowie das Sport- und Ernährungsverhalten. Die Adipositasprävalenzen für Mütter und Väter betragen 11,9% bzw. 14,8%. Die Prävalenzen variieren kaum im Vergleich zu Frauen und Männern ohne Kinder. Bei zusätzlicher Stratifizierung nach dem SES zeigt sich bei Müttern der niedrigen SES-Gruppe eine Prävalenz von 23,4%. Innerhalb der hohen SES-Gruppe liegt die Adipositasprävalenz bei den Müttern bei 4,9%. Bei Vätern mit niedrigem SES beträgt die Adipositasprävalenz 21,1% und mit hohem SES 9,0%. Bei Frauen und Männern ohne Kinder im Haushalt zeigt sich in Hinblick auf die Prävalenz für Adipositas ebenfalls eine graduelle Abstufung nach dem SES, die jedoch geringer ausfällt als bei Müttern und Vätern. In den logistischen Regressionen findet sich bei Frauen ein signifikanter Effekt für die Interaktion von SES und Elternstatus. So ist in der niedrigen SES-Gruppe die Wahrscheinlichkeit für eine Adipositas bei Müttern signifikant höher als bei Frauen ohne Kinder im Haushalt. In der hohen SES-Gruppe weisen Mütter eine geringere Wahrscheinlichkeit für eine Adipositas auf als Frauen ohne Kinder. In der mittleren SES-Gruppe finden sich hingegen keine Unterschiede nach dem Elternstatus. Diese Assoziationen bleiben auch bei Kontrolle für soziodemografische, soziale und verhaltensbezogene Variablen bestehen. Bei Männern wird der Zusammenhang zwischen SES und Adipositas nicht durch den Elternstatus moderiert. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass Adipositas im starken Maße mit dem SES assoziiert ist und dieser Zusammenhang bei den Frauen durch den Elternstatus moderiert wird. Die Gruppe der Eltern ist somit in Hinblick auf die Verbreitung von Adipositas deutlich heterogener als die Gruppe der kinderlosen Frauen und Männer. Insbesondere Mütter mit niedrigem SES stellen eine wichtige Zielgruppe für präventive Maßnahmen dar. Dies ist auch mit Blick auf die Entwicklung einer Adipositas bei Kindern in den Familien von Relevanz.
Schlüsselwörter: Adipositas, gesundheitliche Ungleichheit, sozioökonomischer Status, Familie, Elternschaft, Mütter, Väter
Associations between socioeconomic status and obesity in women and men with and without children
Abstract
The association between socioeconomic status (SES) and obesity is well documented for women and men in Germany. However, to date it has hardly been investigated whether there are differences in this association depending on whether women and men currently live in a household with or without children. Therefore, the aim of the present study is to analyze whether the association between SES and obesity varies among women and men with and without children in the household. The analyses are based on data from the GEDA study 2009, 2010 and 2012, with a sample of 39,096 women and men aged 18 to 54 years. Prevalences for obesity stratified by SES were calculated for women and men with and without children in the household. Using logistic regression, odds ratios were calculated for the main effects of SES and parental status (minor child in household: yes/no). Including the interaction term of SES and parental status, we analyzed whether the association between SES and obesity is moderated by parental status. We adjusted for age, migration history, partner and employment status as well as sporting activity and dietary behavior.
The prevalence of obesity for mothers and fathers is 11.9% and 14.8%, respectively. These prevalences roughly correspond to those of women and men without children. After stratification by SES, mothers in the low SES group show a prevalence of 23.4%. Within the high SES group, the prevalence of obesity in mothers is 4.9%. Among fathers with low SES, the prevalence of obesity is 21.1% and among fathers with high SES 9.0%.
For women and men without children in the household, the social gradient is weaker than for mothers and fathers. In the logistic regression models, a significant effect is found for the interaction of SES and parental status among women. Thus, in the low SES group, mothers are significantly more likely to be obese than women without children in the household. In the high SES group, mothers have a lower odd of obesity than
women without children. In the medium SES group, however, no differences are found by parental status. These associations persist even after adjusting for socio-demographic and behavioral variables. For men, the association between SES and obesity is not moderated by parental status. Our findings show that obesity is strongly associated with SES and that this association is moderated by parental status among women. Thus, the group of parents is more heterogeneous in terms of the prevalence of obesity than the group of childless women and men. In particular, mothers with low SES represent an important target group for health promotion and prevention. This is also relevant with regard to the development of obesity among children in families.
Keywords: Obesity, health inequalities, socioeconomic status, family, parenthood, mother, father
Korrespondierende Autorin:
Petra Rattay
Dipl. Soziologin, MPH
Robert Koch-Institut, Abt. Epidemiologie und
Gesundheitsmonitoring
General-Pape-Str. 62-66, 12101 Berlin
Telefon: +49 (0)30 18754-3323
rattayp@rki.de
Therapeutische Maßnahmen stationärer Mutter-Kind-Vorsorgemaßnahmen – Analyse anhand der Klassifikation therapeutischer Leistungen
Claudia Kirsch, Deborah Leddin, Friederike Otto & Monique Förster
Kurzfassung
Einleitung: Durch die Implementierung von Reha-Therapiestandards besteht für die Rehabilitationskliniken der Deutschen Rentenversicherung die Möglichkeit, ihr konkretes therapeutisches Vorgehen mit inhaltlichen Vorgaben zu vergleichen und so Verbesserungsprozesse anzustoßen. Es stellt sich die Frage, ob nicht auch stationäre Mutter-Kind-Maßnahmen durch die Entwicklung von Therapiestandards, im Sinne
einer weiterführenden Qualitätssicherung, profitieren könnten und wie diese zu gestalten wären. Um dieser Frage nachgehen zu können, ist es zunächst notwendig, das therapeutische Geschehen von stationären Mutter-Kind-Maßnahmen, u.a. auch indikationsspezifisch, zu beleuchten. Mit der Studie „Ressourcenaktivierung und Steigerung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität durch stationäre Mutter-/Vater-Kind-
Maßnahmen“ (RessQu) von 2018 wurden erstmalig die therapeutischen Maßnahmen in stationären Mutter-Kind-Einrichtungen mittels der Klassifikation therapeutischer Leistungen (KTL) untersucht. Dabei standen die Analyse des Therapiegeschehens und des indikationsspezifischen Leistungsspektrums zu den Schwerpunktindikationen (SPI) Erschöpfung, Rückenschmerzen und Psychische Störungen als Zielsetzungen
im Vordergrund.
Methodik: In der RessQu-Studie wurden die Anzahl und Dauer der durchgeführten Anwendungen anhand einer KTL-Liste erhoben. Für die Analyse des Therapiegeschehens wurden für die Dauer einer kompletten Maßnahme (21 Tage) der Mittelwert der Anwendungen und der Mittelwert der Therapiedauer in Stunden pro KTL-Gruppe berechnet. Die indikationsspezifischen Mittelwertvergleiche wurden mittels einfaktorieller
Varianzanalysen mit dem Bonferroni-korrigierten post-hoc Test durchgeführt.
Ergebnisse: 720 (M = 39,2 Jahre, SD = 6,4) Patientinnen hatten laut Attest einen Vorsorgestatus. Insgesamt erhielten die Patientinnen im Durchschnitt 38,8 Anwendungen und 29,9 Therapiestunden in ihrer Maßnahme. Bei 623 (86,5 %) der 720 Vorsorgepatientinnen lag die SPI Erschöpfung/Burnout vor, 358 (49,7 %) Patientinnen hatten die SPI Rückenschmerzen und 118 (16,4 %) Patientinnen die SPI Psychische Störungen. Da die SPI Erschöpfung/Burnout bei 55,1 Prozent der Patientinnen mit der SPI Psychische Störungen und bei 91,8 Prozent der Patientinnen mit der SPI Rückenschmerzen vorlag, wurde ein Gruppenvergleich von
a) Müttern, bei denen ausschließlich die Indikation Erschöpfung/Burnout vorlag (n = 168),
b) Müttern, bei denen neben der Indikation Erschöpfung auch die SPI Rückenschmerzen bzw. ausschließlich die SPI Rückenschmerzen vorlag (n = 302) sowie
c) Müttern, bei denen neben der Indikation Erschöpfung auch die SPI Psychische Störung bzw. ausschließlich
die SPI Psychische Störungen vorlag (n = 64), durchgeführt.
Patientinnen mit der SPI Erschöpfung erhielten pro Maßnahme signifikant weniger Anwendungen (33,7) als Patientinnen mit der SPI Rückenschmerzen (38,9) und als Patientinnen mit der SPI Psychische Störungen
(41,4). Mit im Durchschnitt 25,1 Stunden in einer 3-wöchigen Maßnahme hatten Patientinnen mit der SPI Erschöpfung eine signifikant geringere Therapiedauer als Patientinnen mit der SPI Rückenschmerzen
(M = 31,1) und Patientinnen mit der SPI Psychische Störungen (M = 31,9). Es gab keinen signifikanten Unterschied zwischen den Patientinnen mit der SPI Rückenschmerzen und den Patientinnen mit der SPI Psychische
Störungen bezüglich der Anzahl an Anwendungen und der Therapiedauer.
Diskussion: Zur Dokumentation multiprofessioneller Therapien stationärer Mutter-Kind-Maßnahmen ist die KTL ein geeignetes Instrument. Die vorliegende KTL-Analyse bildet eine wichtige Grundlage, um abschließend überprüfen zu können, ob Mutter-Kind-Vorsorgemaßnahmen von einer möglichen Implementierung von Therapiestandards profitieren könnten. Hierfür wären weitere KTL-Analysen, beispielsweise
anhand von indikationsspezifischen Einrichtungsvergleichen, notwendig. Die vorliegenden Ergebnisse weisen bereits darauf hin, dass die Entwicklung eines allgemeinen Therapiestandards für die Indikation
Erschöpfung nicht ausreichend wäre und durch indikationsspezifische Bausteine, wie zum Beispiel für Rückenschmerzen oder Psychische Störungen ergänzt werden sollte.
Schlüsselwörter: Klassifikation therapeutischer Leistungen, Mutter-Kind-Vorsorgemaßnahmen, Schwerpunktindikationen, Erschöpfung, Rückenschmerzen, Psychische Störungen
Therapeutic Measures of Inpatient Mother-Child Preventive Measures – Analysis based on the Classification of Therapeutic Procedures
Abstract
Introduction: Through the implementation of rehabilitation therapy standards, the rehabilitation clinics of the German Pension Insurance have the opportunity to compare their concrete therapeutic procedure with content-related specifications and thus initiate improvement processes. The question arises whether inpatient mother-child measures could also benefit from the development of therapy standards in the sense
of further quality assurance and how these could be designed. In order to be capable of answering this question, it is necessary to examine the therapeutic process of inpatient mother/father-child measures, including indication-specific aspects. With the study “Resource activation and increase in health-related quality of life through inpatient mother-child measures” (RessQu) from 2018, the therapeutic measures in inpatient mother-child facilities were investigated for the first time using the Classification of Therapeutic Procedures (German abbreviation: KTL). It focused on the analysis of the therapeutic process and the indication-specific range of procedures for the main indications (German abbreviation: SPI) exhaustion, back pain and mental disorders.
Methods: In the RessQu study, the number and duration of the treatments were recorded by using a KTL list. For the analysis of the therapeutic process, the mean value of the treatments and the mean value of the therapy duration in hours were calculated per KTL group and for the duration of a complete measure (21 days). The indication-specific mean comparisons were carried out by one-factor analysis of variance with
the Bonferroni adjusted post hoc test.
Results: 720 (M = 39.2 years, SD = 6.4) female patients had a preventive status according to their medical certificate. In total, the patients received an average of 38.8 treatments and 29.9 therapy hours during their measures. 623 (86.5 %) of the 720 preventive care patients had the SPI exhaustion, 358 (49.7 %) patients had the SPI back pain and 118 (16.4 %) patients had the SPI mental disorders. As SPI Exhaustion/Burnout was present in 55.1 % of patients with the SPI mental disorders and in 91.8 % of patients with the SPI back pain, a group comparison was made of
a) mothers with the indication exhaustion/burnout only (n = 168),
b) mothers with the SPI back pain in addition to the indication exhaustion or with the SPI back pain only (n = 302) and
c) mothers who had the SPI mental disorder in addition to the indication exhaustion or with the SPI mental
disorders only (n = 64).
Patients with SPI exhaustion received significantly fewer treatments per intervention (33.7) than patients with SPI back pain (38.9) and patients with the SPI mental disorders (41.4). With an average of 25.1 hours in a 3-week measure, patients with SPI exhaustion had a significantly shorter therapy duration than patients with SPI back pain (M = 31.1) and patients with SPI mental disorders (M = 31.9). The number of treatments
and the duration of therapy did not differ significantly between patients with SPI back pain and patients with SPI mental disorders.
Discussion: The KTL is a suitable instrument for documenting multiprofessional therapies of inpatient mother-child measures. The present KTL analysis forms an important basis for concluding whether mother-child preventive measures could benefit from a possible implementation of therapy standards. For this purpose, further KTL analyses would be necessary, for example on the basis of indication-specific facility comparisons.
The present results already indicate that the development of a general therapy standard for the indication of exhaustion would not be sufficient and should be supplemented by indication-specific modules, such as for back pain or mental disorders.
Keywords: Classification of Therapeutic Procedures, mother-child prevention measures, main indications (SPI), exhaustion, back pain, mental disorders
Korrespondierende Autorin
Claudia Kirsch
M.A. Public Health/Pflegewissenschaften
Wissenschaftliche Leiterin des Forschungsverbundes
Familiengesundheit
Medizinische Soziologie, OE 5420
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover
kirsch.claudia@mh-hannover.de
Sind Wirkfaktoren der Psychotherapie auch für die psychosoziale Beratung relevant? Eine Befragung in Tagesstätten für Menschen mit einer psychischen Erkrankung
M. Isabel Sprandel, Marc Augustin & Christian Zwingmann
Zusammenfassung
Psychosoziale Beratung ist ein zentrales Handlungsfeld in der Sozialen Arbeit. Es wurde in seiner Methodik und Gesprächsführung stark von der Psychotherapie beeinflusst. Wirkfaktoren-Modelle in der Psychotherapieforschung beschreiben die Annahme, dass die Wirksamkeit von Psychotherapie auf bestimmte Faktoren zurückgeht. Anhand einer querschnittlichen Fragebogenstudie in Tagesstätten für Menschen mit einer psychischen Erkrankung wurde untersucht, inwieweit die Wirkfaktoren der Psychotherapie aus Sicht der Beteiligten in der psychosozialen Beratung Sozialer Arbeit vorkommen und mit Einschätzungen der Wirksamkeit in Verbindung stehen. Bei der Operationalisierung der Wirkfaktoren wurde das Modell nach Grawe et al. (1994) herangezogen. Einschätzungen der Klientinnen und Klienten (N = 48) zeigen, dass die Wirkfaktoren der Psychotherapie auch in der psychosozialen Beratung enthalten sind und substanziell mit Zielerreichungen als Indikatoren der Wirksamkeit korrelieren.
Schlüsselwörter: Psychosoziale Beratung, Soziale Arbeit, Wirkfaktoren, Wirksamkeit, Psychotherapieforschung
Are outcome factors of psychotherapy also relevant for psychosocial counseling? A survey in day care centers for people with a mental illness
Abstract
Psychosocial counseling is a central field of action in social work. It has been strongly influenced by psychotherapy in terms of its methodology and the applied conversation techniques. Outcome factor models in psychotherapy research describe the assumption that the effectiveness of psychotherapy is due to certain factors. By means of a cross-sectional survey in day care centers for people with a mental illness, it was investigated to what extent the outcome factors of psychotherapy occur in the psychosocial counseling of social work from the perspective of the participants and how these are associated with assessments of effectiveness. The Grawe et al. (1994) model was used to operationalize the outcome factors. The clients’ assessments (N = 48) show that the outcome factors of psychotherapy are also present in psychosocial counseling and correlate substantially with the achievement of goals as indicators of effectiveness.
Keywords: psychosocial counseling, social work, outcome factors, effectiveness, psychotherapy research
Korrespondierender Autor:
Prof. Dr. Dr. Christian Zwingmann
Diplom-Psychologe
Evangelische Hochschule Rheinland-
Westfalen-Lippe
Immanuel-Kant-Str. 18-20
44803 Bochum
zwingmann@evh-bochum.de
Psychosoziale und Medizinische Rehabilitation
35. Jahrgang • 2022 • Heft 3 (119)
Pabst, 2022
ISSN 0933-842X
Preis: 14,- €