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Wie polizeiliche Stereotype und Vorurteile eine Suchtbehandlung verhindern können

Eine teilweise lasche und uneinheitliche Drogenpolitik brachte Polen in den 1980er und 1990er Jahren an die Spitze der europäischen Drogenstatistik; trotz deutlich restriktiverer Gesetze ist auch heute der Drogenhandel und -konsum vergleichsweise hoch. Für polnische Polizeibeamte eine große Herausforderung: Sie müssen Drogensüchtige als solche erkennen und sind verpflichtet, der Staatsanwaltschaft Auskunft zu geben, ob sie diese eher einer Behandlung zuweisen würden statt Strafmaßnahmen einzuleiten, wozu sie ihre Erfahrungen und Vorurteile zur Hilfe nehmen. Michal Bujalski und Lukasz Wieczorek untersuchten in ihrer Studie, welchen Einfluss Stereotype und subjektive Wahrnehmung von Drogenkonsumenten auf Seiten der Polizei auf die Empfehlung einer Zuweisung in eine Suchtbehandlung haben. Ihre Ergebnisse sind nachzulesen im Reader „Between street and screen“, hrsg. von Marije Wouters und Jane Fountain.

In den späten 1980er Jahren wurde Polen zum europaweit führenden Land, was die Produktion von illegalen Amphetaminen angeht, außerdem zum Übergangsland des Drogenhandels von Süd- und Osteuropa mit Skandinavien. Grund war eine zunächst recht liberal und moderat gehaltene Drogenpolitik. Zwischenzeitlich war sogar der Besitz von sehr kleinen Mengen für den „Eigenbedarf“ erlaubt. Seit 2000 herrschen deutlich härtere Gesetze, was Drogenkonsum und -handel angeht, doch auch Jahre danach führt Polen die europaweite Drogenstatistik an. Neben Amphetaminen spielt Cannabis eine große Rolle: Die Häufigkeit einer Verurteilung wegen Cannabisbesitz bzw. -konsum ist ca. 20 Prozent höher als der europäische Durchschnitt.

Dem „Act of Counteracting Drug Addiction“ (2005) zufolge muss die polnische Polizei bei Festnahme von Drogenkonsumenten entscheiden, ob sie der Staatsanwaltschaft eher zu einer Behandlung oder einem „normalen“ Strafvollzug rät. Dementsprechend können die Einstellungen einzelner Polizeibeamter Drogenkonsumenten gegenüber durchaus einen wichtigen Einfluss auf deren Möglichkeiten zur Genesung haben.

Für ihre Untersuchung haben die Autoren zahlreiche Polizisten aus verschiedenen Revieren in Warschau interviewt. Fast alle gaben zu, dass Drogenkonsumenten eine schwierige Klientel seien. Sie verhielten sich oft arrogant den Polizisten gegenüber, seien sprunghaft und gäben häufig Anlass zu ernster Sorge, was den medizinischen Zustand anginge. Den meisten Polizisten macht schon der erste Eindruck zu schaffen: Die Annahme, die meist verwahrlosten Menschen könnten mit diversen Krankheiten infiziert sein, lässt sie deutlich distanzierter mit ihnen umgehen. Körperliche Nähe oder gar körperlichen Kontakt vermeiden die meisten – aus Angst, angesteckt zu werden oder gar z.B. mit einer Spritze angegriffen zu werden. Interessant dabei: Noch nie ist den Befragten tatsächlich etwas Vergleichbares passiert – sie haben lediglich „davon gehört“.

Wichtig bei der Entscheidung für eine Behandlung ist die Unterscheidung von Drogenkonsumenten und -abhängigen. Nicht jedem Kleinkriminellen mit (evtl. einmaligem) Drogenkonsum kann eine kostenintensive Suchtbehandlung geboten werden. Polnische Polizeibeamte begegnen täglich vielen dieser Fälle, haben nur wenig Zeit für den Einzelnen und müssen dementsprechend auch Entscheidungen in Stresssituationen treffen. Die durch Angst und Vorsicht gehaltene Distanz vertieft nur noch die Vorurteile, auf deren Basis die Verhafteten beurteilt werden. Stigmatisierung und Schubladendenken zeichnen dementsprechend die „Kategorisierung“ aus – kaum eine gut fundierte und intensiv recherchierte Einschätzung des Einzelnen.

Aufgrund dieser Umstände kritisieren die Autoren die aktuelle Drogenpolitik ihres Heimatlandes und bieten einige Vorschläge, wie die Polizei in dieser Hinsicht entlastet und besser auf den Umgang mit Drogenkonsumenten und -süchtigen vorbereitet werden kann.

 

Literatur

 

Michal Bujalski, Lukasz Wieczorek:Police and drug users: stereotypes as a barrier to treatment
In: Marije Wouters, Jane Fountain (Eds.), Between street and screen. Traditions and innovations in the drugs field.
Pabst 2015, 111 Seiten. ISBN 978-3-95853-143-7

 

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