NEWSBÜCHERJOURNALEONLINE-SHOP



 

Sie befinden sich hier: NEWS » Aktuelle News Psychologie » News lesen

« zurück

"Wie komme ich erholt in den Feierabend?"

Kann man es sich heute noch leisten, im Beruf nicht alles zu geben? Der Transaktionsanalytiker und Leiter des Instituts für Führungskompetenz und Persönlichkeitsentwicklung in Soltau Dr. Johann Schneider jedenfalls stellt die unzeitgemäße Frage: "Wie arbeite ich erfolgreich und komme erholt in den Feierabend?" Der ernste Hintergrund seiner scherzhaften Formulierung ist die Frage nach Burn-out und mit welchen Mitteln es vermieden werden kann: "Ohne Augenmaß für ihre Tatkraft müssen auch noch so intelligente und einfühlsame Menschen, noch so ausgeklügelte Organisationen scheitern. Leistungsfähigkeit aufbauen, sie erhalten, ihre Grenzen ausloten und diese achten - dies ist und bleibt eine zentrale menschliche Herausforderung".

Als besonders gefährdet sieht Schneider engagierte Menschen, sie "bringen sich in Gefahr, in Burn-out-Zustände zu geraten, wenn sie zu sehr in ihrer Arbeit aufgehen, zu begeistert oder zu engagiert sind." Als problematisch stellt er dabei weniger Engagement und Begeisterung an sich dar, als vielmehr das Übergehen von Erholungsphasen. Wie der Wechsel von Tiefschlaf- und REM (Rapid Eye Movements)-Phasen im Schlaf, so erläutert Schneider, sei auch der Wechsel von aktiven und Erholungsphasen im Wachzustand essenziell. Zwar sei es möglich und in vielen Situationen auch sinnvoll, Erholungsphasen aufzuschieben. Fallen diese aber wiederholt weg, gerate man in Distress, eine krankmachende Form des Stresses, der neben vielen körperlichen Funktionsstörungen wie Unwohlsein, Verspannungen und Schmerzen bis hin zum Herzinfarkt führen kann.

Seine These: "Jede Pause, die wir bei der Arbeit nicht machen, geht zu Lasten des Privatlebens". Basierend auf Erfahrungen, die Schneider auf Seminaren gemacht hat, schlägt er einen Rhythmus von 60-90 Minuten konzentrierter Arbeit im Wechsel mit 20-30 Minuten Erholung vor. Der Weg aus der Spirale, die zum Burn-out führt, bestehe Schneider zufolge letztlich darin, Handlungen bewusst zu vollziehen: Innehalten, wahrnehmen, einschätzen, handeln, überprüfen sind Schritte, die vollzogen werden müssten. Mit Verweis auf das im Sport verbreitete Time-Out, in dem etwa Basketball-Mannschaften sich eine Verschnaufpause verschaffen, sich sammeln, sich auf ihre Stärken besinnen und neu aufstellen, rät Schneider dazu, besonders in Stresssituationen Handlungen bewusst zu vollziehen und die genannten Schritte zu gehen, um "wenn nützlich, Anpassungen vor(zu)nehmen".

Unbestreitbar ist der Wechsel von Leistungs- und Erholungsphasen sinnvoll. Doch findet in den Ausführungen von Schneider die Erfahrung keine Niederschlag, dass auch komplexe Arbeiten tiefe Befriedigung erzeugen können, ja dass Pausen - ähnlich wie unerwartete Unterbrechungen - unter Umständen gar den Gedankenfluss stören. Es wäre zu klären, ob im Arbeitsalltag statt Arbeitsaufkommen und Häufigkeit von Pausen nicht vielmehr die Einstellung zur Arbeit der entscheidende Punkt ist. Schneider selbst formuliert: "Wenn die Begeisterung, das Engagement, die Leidenschaft zum eigenen inneren Zwang und überzogene Anforderungen von außen unbedacht übernommen werden, verbrennen sich Menschen". Sich dem Zwang beugen, dies ist weniger eine Frage des Arbeitsaufkommens als vielmehr der Haltung: Auch mal nein sagen, störende Unterbrechungen auf ein Minimum beschränken, sich mit dem Machbaren zufrieden geben statt nach Vollkommenheit zu streben, Unwichtiges weglassen und Arbeit gut strukturieren, das sind Maßnahmen, die den Stress am Arbeitsplatz herabsetzen. Ob ein Anteil von 25% Pausen im Arbeitsalltag praktikabel sind und denselben Effekt haben, darf bezweifelt werden.

Menschenbilder. Das Fremde und das Vertraute – Reader zum 34. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Transaktionsanalyse
Raeck, Hanne (Hrsg.)




alttext    

 

Aktuell

Socials

Fachzeitschriften