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Welche Rolle spielt Alkohol in der Begehung von Straftaten?

Die „Aktionswoche Alkohol“ der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (18.–26. Mai 2019) ist momentan in vollem Gange. Aktionen, Kampagnen, Informationsveranstaltungen u.v.m. sollen die Menschen über die Auswirkungen von Deutschlands Suchtmittel Nummer 1 informieren und Präventionsmöglichkeiten aufzeigen. Ein wichtiger Aufruf, denn der Blick in aktuelle Statistiken zeigt: Beinahe 8 Millionen Menschen in Deutschland (zwischen 18 und 64 Jahren) konsumieren Alkohol in einem riskanten Maße. Im Bereich der Kriminalität spielt Alkohol sogar eine noch zentralere Rolle: Stanley F. Friedemann und Martin Rettenberger der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden untersuchten die Beziehung von Alkoholkonsum und Kriminalität, ihre Ergebnisse stellen sie im aktuellen „Jahrbuch Sucht 2019“ (hrsg. von der DHS) vor.

Das Thema „Alkohol und Kriminalität“ kann man auf verschiedene Zusammenhänge hin betrachten: Statistiken zeigen einerseits, dass zahlreiche straffällig gewordene Personen bei der Deliktbegehung unter Alkoholeinfluss standen, der Alkohol also kriminelles Verhalten fördern kann. Über alle Straftaten hinweg sind es über 10 Prozent der Delikte, bei denen die Täter unter Alkoholeinfluss standen. Andererseits gibt es deutlich mehr Fälle, in denen Menschen zwar alkoholisiert sind, aber keine Straftat begehen. Den Alkohol alleine kann man dementsprechend kaum als alleinige Ursache für ein Delikt betrachten.

Friedemann und Rettenberger stellen verschiedene Modelle des Einflusses von Alkohol auf die Begehung von Straftaten einander gegenüber. Modell 1 nimmt einen direkten kausalen Einfluss an: Die akute Wirkung von Alkohol erhöhe Gewaltbereitschaft und Aggressionsneigung. Diese recht simple Aussage ignoriert aber viele weitere Faktoren, die den Einfluss von Alkohol auf Kriminalität indirekt vermitteln. Dieser indirekte kausale Einfluss ist die zentrale Aussage von Modell 2, das den Alkohol nur als einen von mehreren miteinander agierenden Faktoren ansieht. Modell 3 besagt, dass die „Wirkung der alkoholinduzierten psychopharmakologischen Veränderungen auf Kriminalität durch Drittvariablen verringert oder verstärkt werden kann“. Diese Faktoren können etwa bestimmte Merkmale des Konsumenten oder der Situation umfassen. Die Modelle 4 und 5 betrachten den Zusammenhang genau andersherum: Sie nehmen an, dass strafbares Verhalten zu Alkoholkonsum führt. Modell 6 führt Kriminalität und Alkoholkonsum auf eine gemeinsame Ursache, hält den tatsächlichen Zusammenhang aber für eine „Scheinkonstellation“. Modell 7 betont gar, dass „Alkohol konsumiert wird, um die strafjustiziellen Folgen einer Deliktaufdeckung im Sinne einer verminderten Schuldfähigkeit abzumildern“.

Betrachtet man diese zahlreichen Möglichkeiten des Zusammenhangs von Alkohol und Kriminalität, wird eines sofort klar: Eine direkte und sichere Aussage kann man momentan nicht treffen. Da erscheint es sinnvoller, Energie auf die Prävention alkoholbedingter Kriminalität zu verwenden. Die Autoren stellen zwei Wege heraus, um Kriminalität im Zusammenhang mit Alkohol im Vorfeld zu verhindern:

  1. Der Kontakt und Zugang zu Alkohol muss erschwert werden. Dazu zählen die Verteuerung von alkoholischen Getränken, Beschränkungen der Alkoholwerbung sowie des Konsumverbots in öffentlichen Räumen zu bestimmten Uhrzeiten.
  2. Die Bevölkerung muss für das Thema Alkohol und seine teils desaströsen Auswirkungen sensibilisiert werden. Dazu tragen Informationskampagnen und lokale Präventionsprojekte bei, auch innerhalb von Unterrichtseinheiten in Schulen.

Letzteren Punkt nimmt nun auch die von der Deutschen Hauptstelle für Sucht initiierte „Aktionswoche Alkohol“ auf – in der Hoffnung, nicht nur für den gesundheitlichen Vorteil von geringem Alkoholkonsum zu werben, sondern letztendlich auch Delikten unter Alkoholeinfluss Einhalt gebieten zu können.

 

Literatur:

Stanley F. Friedemann, Martin Rettenberger: Delikte unter Alkoholeinfluss.
In: Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (Hrsg.), Jahrbuch Sucht 2019.
Pabst 2019, 263 Seiten, Hardcover, ISBN 978-3-95853-483-4

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