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Traumata sind häufig sowohl Ursache als auch Folge von Suchterkrankungen

Sucht und Trauma – auf den ersten Blick zwei völlig unterschiedliche und voneinander unabhängige Störungsbilder. Auf den zweiten Blick offenbart sich allerdings ein deutlicher Zusammenhang: Die Posttraumatische Belastungsstörung zählt zu den häufigsten komorbiden Störungen bei Suchtkranken. Prof. Dr. Ingo Schäfer vom Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) nimmt im aktuellen „Jahrbuch Sucht 2019“ die Verbindung beider Störungen unter die Lupe und zeigt entsprechende Therapiemöglichkeiten und -besonderheiten auf.

Sexuelle, körperliche oder psychische Gewalt, Vernachlässigungen – vor allem traumatische Erfahrungen in frühen Lebensphasen, die von nahen Bezugspersonen ausgehen, prädisponieren besonders deutlich für psychische Erkrankungen im späteren Leben. Dabei handelt es sich meist nicht um einmalige Vorfälle, sondern um wiederholte Ereignisse, die sich über mehrere Jahre in Kindheit und Jugend erstrecken. Etwa ein Drittel aller psychischen Störungen weltweit werden auf solche frühen Belastungen zurückgeführt. Suchterkrankungen bilden hier keine Ausnahme, im Gegenteil: Fast 40 Prozent der Patient/innen mit alkoholbezogenen Störungen berichten von körperlicher Misshandlung in der Kindheit.

Der Zusammenhang von Sucht und traumatischen Erfahrungen ist zusätzlich genau andersherum vorhanden: Es wurde u.a. herausgefunden, dass Drogenabhängige (hier vor allem Frauen) ein dreimal so hohes Risiko haben, Opfer sexueller oder anderer körperlicher Übergriffe zu werden. Suchtkranke sind außerdem signifikant häufiger von häuslicher Gewalt betroffen, meist durch eine/n ebenso suchtkranken Partner/in.

Bei einer diagnostizierten Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) ist eine traumafokussierte Behandlung die Intervention der Wahl, dabei werden die Erinnerungen an das traumatische Ereignis verarbeitet sowie dessen Bedeutung für heutige Probleme herausgestellt. Bei Patient/innen mit komorbider PTBS und Suchterkrankung muss die Therapie individuell angepasst werden. Statt einer separaten Suchttherapie, an die eine Traumatherapie anschließt, sollten Elemente beider Behandlungsansätze von Anfang an phasengerecht miteinander kombiniert werden. Wichtig ist vor allem, immer die Traumatisierung zu berücksichtigen, weil damit die eigentliche Problematik und Ursache der Suchterkrankung besser erfasst werden können.

In den vergangenen Jahren haben sich viele Suchtbehandlungseinrichtungen besser auf die Bedürfnisse traumatisierter Suchtkranker eingestellt. Angesichts des hohen Anteils der von beiden Störungen Betroffenen fordert Ingo Schäfer dennoch, „dass in allen Beratungs- und Behandlungseinrichtungen im Suchtbereich zumindest eine grundlegende Kompetenz zur Erfassung und zum Umgang mit traumatischen Erfahrungen bei ihren Klientinnen und Klienten besteht“.

 

Literatur:

Ingo Schäfer: Sucht und Trauma. In: DHS Jahrbuch Sucht 2019. Pabst Science Publishers, Hardcover, 263 Seiten. ISBN 978-3-95853-483-4, eBook ISBN: 978-3-95853-484-1

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