Sven Thönes und Daniel Oberfeld vom Psychologischen Institut der JGU haben für ihre Metastudie die Ergebnisse aus 16 Einzelstudien mit insgesamt 433 depressiven Probanden und 485 nicht depressiven Kontrollprobanden ausgewertet. "Psychiater und Psychologen in Kliniken oder Praxen berichten immer wieder davon, dass depressive Patienten das Gefühl haben, die Zeit schleiche langsam dahin oder vergehe im Zeitlupentempo", berichtet PD Dr. Daniel Oberfeld. "Unsere Auswertung kann dies bestätigen." Erste wissenschaftliche Untersuchungen zu dem Thema gab es bereits in den 1940er Jahren. Die älteste Studie, die in die Analyse der Mainzer Psychologen einging, stammt von 1977.
Im zweiten Teil ihrer Metaanalyse untersuchten Thönes und Oberfeld die Schätzung der Zeitdauer von Ereignissen. Bei solchen Studien werden Probanden beispielsweise gebeten, die Länge eines Films in Minuten anzugeben, fünf Sekunden lang auf eine Taste zu drücken oder die Dauer von zwei unterschiedlich langen Tönen zu unterscheiden. Hier führten depressive Probanden die Aufgaben genauso aus wie gesunde, es zeigte sich also kein Unterschied. "Offensichtlich ist das subjektive Gefühl, wie die Zeit vergeht, für depressive Menschen etwas anderes als die tatsächliche Schätzung der Dauer eines externen Ereignisses", fasst Oberfeld die Ergebnisse zusammen.
Als Manko bei der Datenlage empfinden Thönes und Oberfeld, dass einige Aspekte für den Zusammenhang von Depressionen und Zeitwahrnehmung noch nicht hinreichend untersucht worden sind. So ist wenig darüber bekannt, wie sich Antidepressiva oder Psychotherapie auswirken oder ob Patienten mit bipolaren Störungen oder einer klassischen Depression unterschiedlich reagieren. Auf jeden Fall aber muss in künftigen Studien deutlich zwischen einer subjektiven Beurteilung des Zeitflusses und der Schätzung von präzise definierten Zeitintervallen unterschieden werden, raten die Autoren der Metastudie.