Die Krankenkassen zählen bei ihrer Klientel immer mehr Arbeitsunfähigkeitstage, die mit psychischen Erkrankungen begründet werden. Daraus schließen die Kassen schlicht auf eine Zunahme der Erkrankungen. Dies ist falsch, da aus den Daten nicht hervorgeht, wieviele Patienten betroffen sind. Sicher ist: Bei psychischen Erkrankungen schreiben Ärzte ihre Patienten öfter und für längere Zeiten arbeitsunfähig als bei den meisten somatischen Krankheiten.
Die Bertelsmann-Stiftung ließ die Statistik-Deutungen der Krankenkassen bereits 2014 untersuchen und kam zu den Befunden: Einerseits sind die Daten der Krankenkassen methodisch fragwürdig. Und anderseits "gibt es keine Hinweise auf Veränderungen in der Prävalenz depressiver Erkrankungen in den vergangenen 15 Jahren... Für eine behauptete Zunahme der Neuerkrankungen gibt es keine belastbaren Erkenntnisse."
Dirk Richter, Klaus Berger und Thomas Reker werteten (2008 und 2013) 76 wissenschaftliche Studien aus, um die Häufigkeitsentwicklung psychischer Krankheiten zurückzuverfolgen. Auch hier lässt sich eine Zunahme nicht bestätigen. Allerdings:
- "Die Steigerung der Inanspruchnahme von psychiatrischen Gesundheitsleistungen ist nicht mit einer Zunahme psychischer Probleme oder Störungen in der Bevölkerung assoziiert.
- Die ´gefühlte´ Zunahme psychischer Störungen bildet offenbar etwas anderes ab als eine tatsächliche Zunahme. Es wäre interessant, der Frage nachzugehen, was sich hinter diesem Gefühl verbirgt ..."
Für Zielke ist allerdings deutlich, was sich hinter der Publikationspraxis der Krankenkassen und anderer Interessengruppen verbirgt: "Einer ansonsten so kritischen Versorgungsöffentlichkeit kommen solche Positionierungen offenbar gelegen, zumal nicht wenige Geschäftsbereiche die proklamierte Zunahme psychischer Erkrankungen als willkommene Argumentationsbasis für ebendiese Geschäftsbereiche verwenden. Man kann hier von einer ´Fake-News-Connection´ sprechen."
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