"Die Haltung der TherapeutInnen spielt dabei eine entscheidende Rolle für den Erfolg. Empathie und Wertschätzung der TherapeutInnen sind zentrale Aspekte. Durch einfühlsames und wertschätzendes Verhalten kann der/die TherapeutIn eine vertrauensvolle Beziehung zum Strafgefangenen aufbauen und ihm - oft erstmals in seinem Leben - das Gefühl vermitteln, ernst genommen und respektiert zu werden," berichtet Moser. "Strafgefangene haben oft eine Vergangenheit mit delinquentem Verhalten und können unter starker Selbstverurteilung und Schamgefühlen leiden. Durch eine akzeptierende Haltung ermöglicht der Therapeut/die Therapeutin dem Strafgefangenen, sich selbst anzunehmen und sich offen über seine Gedanken, Gefühle und Taten auszudrücken. Erst durch diese Akzeptanz wird die notwendige Auseinandersetzung mit der Tat oft erst möglich, und in weiterer Folge kann über die Tataufarbereitung eine tiefgreifende Veränderung der zugrundeliegenden Muster möglich werden."
"Oft fehlen Häftlingen positive Identifikationsfiguren. Bei vielen Straftätern stelle ich Defizite in der Persönlichkeitsentwicklung fest. So kann es immer wieder sein, dass auch ein älterer Häftling bei gewissen Themen in ein kindliches (bockiges, aggressives) Verhalten fällt. Oft erlebe ich die Haft für manche als ´Nachreifen´. Durch das Kennenlernen von geordneten Strukturen, durch Kontakt zu positiv besetzten JustizbeamtInnen oder den Beziehungsaufbau zum Therapeuten entstehen oftmals erstmalige ´Aha-Erlebnisse´, die ein Umdenken bzw. Bearbeiten von alten Mustern erst möglich machen."
Moser dokumentiert in Protokollauszügen therapeutische Gespräche mit 18 Häftlingen (Mord, Sexualverbrechen u.a.) in zwei Justizanstalten - und versäumt es nicht, je nach Bedarf auch professionelle Abgrenzung bzw. Konfrontation zu zeigen.
Gregor Moser: Der psychotherapeutische Prozess im Normal- und Maßnahmenvollzug (Hrsg.: Roswith Roth).
Pabst, 2024 ,96 S., Paperback ISBN 978-3-95853-896-2, eBook 978-3-95853-897-9