Jugendliche Sexualstraftäter sind häufig selbst zuvor missbraucht worden. Psychologen vermuten, dass die Täter versuchen, durch Reinszenierungen eigene Missbrauchserfahrungen zu bewältigen; besonders deutlich wird dies, wenn Täter ihre Opfer in der gleichen Art missbrauchen, wie sie selbst missbraucht worden waren.
Ingrid Wolff-Dietz warnt davor, das Täterpotenzial bei Mädchen zu unterschätzen. Sie erinnert an einen Bericht von Siegmund Freud über einen Patienten, der als Dreijähriger von seiner fünfjährigen Schwester zu sexuellen Taten genötigt wurde. Seine Schwester hatte den Altersunterschied und ihre größere Intelligenz genutzt, um ihren Bruder zu dominieren, zu erniedrigen und mit einem Bild von einem Wolf zu foltern.
Später, in der Pubertät, versuchte der Patient, die Kindheitssituation umzudrehen, und bedrängte seine Schwester sexuell; sie wies ihn zurück. Doch er fand andere weibliche Opfer, die ihm geistig unterlegen waren. Deren Missbrauch sollte seine eigene Erniedrigung "kompensieren".
Meist "stellt die Vergewaltigung die Verlagerung eines intrapsychischen Konflikts nach außen dar. Der Täter kann das eigene Gefühl von Wertlosigkeit, Unzulänglichkeit, Verletzbarkeit durch ein triumphales Erleben von Mächtigkeit, Stärke und Potenz momentan verleugnen," fokussiert Wolff-Dietz. Sexualstraftäter, die selbst missbraucht wurden, zeigen sexualisiertes Verhalten bereits in der Kindheit, erleben einen höheren Erregungslevel, sind emotional instabiler, haben häufiger Suizidgedanken, sind häufiger aggressiv und depressiv.
Auch wenn derartige Tendenzen greifbar und auffällig sind, bleiben Ursachen und Folgen von sexuellem Missbrauch vielgesichtig und komplex. So sind, berichtet Wolff-Dietz u.a., Borderline-Persönlichkeitsstörungen bei Tätern häufig - und wieder ein Hinweis, dass intrapsychische Konflikte nach außen agiert werden.
Jugendliche Sexualstraftäter
Wolff-Dietz, I.