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Schwanger nach Partnergewalt: Wie die junge Mutter "handlungsmächtig" wird

Ein Teenager wird von einem gewalttätigen Mann ungewollt schwanger. Multiple Vulnerabilitäten werden aktiviert: Scham, Angst vor Unsicherheit und Abhängigkeit; das Erwachsenwerden ist noch nicht abgeschlossen. Die eigene Mutter und das Jugendamt - an gesellschaftlichen Normen orientiert - behindern die Selbstbestimmung wirksam. Doch nach der Niederkunft wird die junge Mutter "handlungsmächtig" - für Ihr Kind. Alina Jung und Kolleginnen analysieren derartige Lebensphasen in einem Beitrag der Fachzeitschrift "Psychologie und Gesellschaftskritik".

"Der Umgang mit der ungewollten Schwangerschaft kennzeichnet sich beim Typus ´Durchbeißen´ durch eine soziale und institutionelle Ablehnung und fehlende Anerkennung der Frauen. Dies führt zu existenziellen Notlagen mit minimalen Handlungsräumen. Die wirkmächtigen diskursiven Anrufungen als z.B. nicht ernst zu nehmende, oftmals minderjährige, alleinerziehende, arme, von Gewalt betroffene, ungewollt Schwangere führen vor allem im institutionellen Kontext zur Erfahrung der Entmündigung bzw. Entmachtung. Diese Erfahrung ist ein zentrales Moment der Vulnerabilität und führt zu einer umfassenden Prekarisierung der Lebenslagen

 

Darin werden besonders die Versäumnisse von Institutionen und Behörden deutlich, die nicht auf die vielschichtigen Bedarfe der Frauen vorbereitet sind, diese ignorieren oder Widerstand dagegen leisten. Durch ausbleibende oder unzureichende institutionelle, soziale und medizinische Maßnahmen bei einer ungewollten Schwangerschaft für gewaltbetroffene Frauen manifestiert sich eine Aussichtslosigkeit, die aufgrund der fehlenden Möglichkeiten, eine schulische bzw. berufliche Ausbildung abzuschließen, in einer existenziellen Krisensituation mündet. 

 

Wegen fehlender finanzieller Absicherung und Unabhängigkeit sind die Frauen dem Unterstützungs- und Versorgungssystem ausgeliefert." Ohnmachtsgefühle und Resignation sind die Folge. "Die institutionelle Situation verschärft die umfassende Ausgrenzung, die sich auch in der sozialen Sphäre niederschlägt, und verstärkt dadurch Abhängigkeiten in sozialen Nahbeziehungen durch emotional missbräuchliche Eltern oder gewalttätige Partner.

 

Trotz der minimalen Handlungsräume während der Schwangerschaft zeigt sich, dass die Frauen nach der Entbindung handlungsmächtiger sind und sich den hartnäckigen Widrigkeiten stellen. Dabei ist auffällig, dass der Handlungsmodus des Durchbeißens durch die neugeborenen Kinder entsteht. Erst durch das Kind und die Aneignung des ambivalenten Diskurses zu guter Mutterschaft entwickelt sich eine handlungsmächtige Selbstkonstruktion. Deshalb kämpfen sie sich für ihre Kinder durch das institutionelle Unterstützungssystem, auch wenn sie hier weiterhin regelmäßig mit Ablehnung, Rückschlägen und Widerständen konfrontiert werden." 

 

Alina Jung, Aaron Korn, Kristina Winter, Petra J. Brzank:
Vulnerabilitäten und Handlungsmacht von ungewollt Schwangeren mit Partnergewalterfahrungen: die Komplexität der Gleichzeitigkeit.

IN: Psychologie & Gesellschaftskritik 4-2023

Pabst, 47. Jahrgang, Nr. 188

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