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Schmerzen sind "verlernbar": Spiegeltherapie überlistet das Gehirn

Phantomschmerzen quälen die meisten Menschen, denen wegen eines schweren Unfalls oder einer Erkrankung ein Arm oder Bein amputiert werden musste. Die Patienten verspüren an der Stelle der amputierten Gliedmaße häufig attackenartige Schmerzen, so, als wenn Arm oder Bein noch vorhanden wären. Ursache ist eine fehlerhafte Anpassung des Gehirns nach der Amputation, die sich in unbegründeten Schmerzempfindungen äußert. Medikamente können Abhilfe schaffen, jedoch dämpfen sie in vielen Fällen nur die heftigsten Schmerzimpulse oder sind für die Patienten wegen starker Nebenwirkungen nicht gut verträglich.

Lernen, das Phantom zu kontrollieren

Deshalb wurden in den letzten Jahren neue Therapien entwickelt: Seit fünf Jahren wird am Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil die sogenannte Spiegeltherapie eingesetzt. Dabei setzt sich ein Patient so vor einen Spiegel, dass die amputierte Gliedmaße verdeckt ist. Im Spiegelbild kann er ein Abbild seines vorhandenen Armes beziehungsweise Beines sehen. Es wird ihm die optische Illusion vermittelt, das amputierte Körperteil sei noch vorhanden. Führt er jetzt Übungen mit der gesunden Gliedmaße aus, bekommt er den Eindruck, er könne das "Phantomglied" wieder bewegen und kontrollieren. Dadurch werden im Gehirn jene Zentren aktiviert, die den Phantomschmerz auslösen. "Beim Phantomschmerz ersetzt das Gehirn die fehlenden Signale eines amputierten Körperteils fälschlicherweise durch Schmerz", erklärt Prof. Dr. Christoph Maier, Leitender Arzt der Abteilung für Schmerztherapie am Bergmannsheil. "Mit der Spiegeltherapie können wir diese Fehlanpassung korrigieren: Der Patient lernt, sein Phantomglied zu kontrollieren, wodurch sich auch die Schmerzempfindung deutlich reduzieren lässt."

Über 150 Patienten behandelt

Das spezielle Verfahren, das in Deutschland erstmals im Bergmannsheil eingesetzt wurde, wurde in den fünf Jahren seit seiner Einführung bereits bei über 150 Patienten angewandt. Bei der überwiegenden Zahl zeigte sich bereits nach wenigen Behandlungen eine erhebliche Schmerzlinderung. Dabei haben sich die Erkenntnisse zur Spiegeltherapie und zu den Behandlungsmöglichkeiten in den letzten fünf Jahren deutlich vergrößert. "Bei manchen Patienten wirken Berührungsreize besser, bei anderen führen Bewegungsübungen zum Erfolg," sagt Susanne Glaudo, Ergotherapeutin am Rehabilitationszentrum des Bergmannsheil. "Dabei arbeiten wir mit verschiedenen Materialien wie Steckspielen und Igelbällen, mit denen die Patienten vor dem Spiegel üben können", Gemeinsam mit Prof. Maier hat Susanne Glaudo zwei patentierte Spiegelgeräte entwickelt, mit denen Patienten das Training auch zu Hause durchführen können.

Behandlung ohne Nebenwirkungen

Neben Phantomschmerzen gibt es noch weitere Anwendungsmöglichkeiten der Spiegeltherapie. Dazu gehören beispielsweise Nerven- und Nervenwurzelverletzungen, das sogenannte komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS oder Morbus Sudeck) sowie Schmerzen und Lähmungen durch Schlaganfall. "Der entscheidene Vorteil der Spiegeltherapie sind die fehlenden Nebenwirkungen", sagt Prof. Maier. "Allerdings kommt es darauf an, dass die Therapie unter Anleitung von qualifiziertem Fachpersonal durchgeführt wird." Am Bergmannsheil finden deshalb regelmäßig Veranstaltungen für Therapeuten statt. Die nächste gibt es am 20. Februar 2010 im Bergmannsheil und trägt den Titel "Herausforderung Nervenschmerz".




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