Das Erleben sexueller Gewalt gaben mehr als vier Prozent der männlichen und mehr als drei Prozent der weiblichen Erwachsenen an; bei den Jugendlichen lag der Anteil über sieben Prozent. Indirekte Gewalterfahrungen - verbale Angriffe, Verleumdungen usw. - wurden von mehr als der Hälfte der Studienteilnehmer berichtet. Ein großer Teil der Opfer hält sich an den Gefangenenkodex und zeigt die Übergriffe nicht an - meist aus Angst, als Verräter zu gelten und weiteren Misshandlungen ausgesetzt zu werden.
Hinter Gefängnismauern "bilden sich zwangsläufig Schichtungen, Interessengruppen und Verhaltensnormen, die die Kommunikation und die Machtverhältnisse innerhalb der Inhaftierten stark bestimmen. Dabei geht es einerseits um die Verteilung materieller Güter (Drogen, Genussmittel) und anderseits um Statusfragen. Gewaltandrohung und Gewaltausübung gehören dabei zu den routinemäßig eingesetzten und in vielen Gruppen auch als legitim angesehenen Mitteln," berichtet Wittfoot.
"Eine besondere Rolle innerhalb der subkulturellen Gefangenengruppen spielt die Vernetzung im Rahmen der sogenannten Russen-Mafia, die in einigen Justizvollzugsanstalten den internen Drogenhandel bzw. Drogenabsatz kontrolliert. Ähnlich wie bei der Etablierung eines diktatorischen Unrechtssystems in einem betroffenen Staat wird hier die individuelle Gewaltbereitschaft kanalisiert und reglementiert, so dass ein hierarchisch geordnetes System entsteht, in dem Gewalt als Mittel zum Zweck in erster Linie den Profiteuren an der Spitze dient, die selbst keine direkte Gewalt mehr ausüben ..."
Gesundheit und Haft
Handbuch für Justiz, Medizin, Psychologie und Sozialarbeit
Lehmann, Marc; Behrens, Marcus; Drees, Heike (Hrsg.)