Sieht das Gericht erste Anhaltspunkte für eine Prozessunfähigkeit, "hat es von Amts wegen Beweis zu erheben, wobei es nicht an die förmlichen Beweismittel der Zivilprozessordnung gebunden ist. Verbleiben nach Erschöpfung der erschließbaren Erkenntnisquellen hinreichende Anhaltspunkte für eine Prozessunfähigkeit, so gehen etwa noch vorhandene Zweifel zu Lasten des Betroffenen, d.h. es wird in dubio von Prozessunfähigkeit ausgegangen.
Diese Beweislastregel gilt auch für das psychiatrische Gutachten: Stellt der Sachverständige fest, dass die psychopathologischen Voraussetzungen für Prozessunfähigkeit mit Wahrscheinlichkeit vorliegen, eine abschließende Klärung jedoch nicht möglich ist (z.B. weil der Proband sich nicht explorieren lässt), kann das Gericht Prozessunfähigkeit unterstellen."
"Die Begutachtung erfordert Spezialkenntnisse. Die Beurteilung wird auch dadurch erschwert, dass es sich oft um eine progressive Entwicklung handelt, die von anfangs normalpsychologischem Verhalten über verschiedene Stufen zu einem krankhaften Verhalten führen kann, das schließlich zu einem manifesten Wahn bestimmt wird. Schwierig ist die Beurteilung der Zwischenstufen," schreibt Cording und warnt: Der Sachverständige sollte "in besonderer Weise darauf achten, sich nur nach den für die freie Willensbestimmung geltenden psychopathologischen Beurteilungskriterien zu richten und sich nicht etwa dafür instrumentalisieren zu lassen, ´einen lästigen, vielleicht unangenehmen Menschen mundtot zu machen´. Im Übrigen muss das Gericht dem Betroffenen in jedem Fall Gelegenheit zur persönlichen Anhörung geben, bevor es ein psychiatrisches Gutachten einholt.."
Clemens Cording & Norbert Nedopil (Hrsg.) Psychiatrische Begutachtungen im Zivilrecht
Ein Handbuch für die Praxis.
Pabst, 315 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-95853-816-0, eBook ISBN 978-3-95853-817-7