Der Patient definiert Lebensqualität neu und ganz persönlich. "Alles, was dem Mainstream folgt, tritt in den Hintergrund, alltägliche Normalität wird kritisch hinterfragt. Der Zusammenbruch der Alltagsroutinen durch die schwere Erkrankung scheint zu ermöglichen, kritische Distanz zu schaffen und bisherigen, zuweilen als normopathisch erlebten Druck in sich wahrzunehmen. Der Wunsch, identisch zu sein, artikuliert sich stärker. Das Bewusstsein, womöglich weniger Zeit zu haben, hilft dabei.
Hier ist der Therapeut Begleiter. Er greift wenig ein, führt den Patienten vorsichtig, der dabei ist, sein eigenes Leben in Besitz zu nehmen, oftmals auf eine eigenartige Weise. Durch die Resonanz des therapeutischen Gegenübers und seiner Spiegelung wird aus der Erzählung des Patienten in vielen Therapieabschnitten eine Lebensbegegnung. Die Persönlichkeit des Patienten bekommt von innen her Kontur, der Therapeut fühlt ihre Authentizität. Nicht selten formulieren Patienten, die schwere Krankheit wirke wie ein Ehrlichmacher. Man könnte eine solche emanzipatorische Bewegung Autonomiezuwachs nennen.
Tatsächlich findet sich der Patient am Ende eines längeren Weges der Krankheitsbewältigung als jemand wieder, der verloren und gewonnen hat. Verlorengegangen ist die Selbstvergessenheit in den Alltagsroutinen, gewonnen die Bewusstheit und die Fähigkeit der Selbststeuerung. Der Kranke ist in der Begegnung mit dem Leben und dem Tod bescheidener und oft dankbarer geworden und hat sich in diesem tiefen Erleben neu kennengelernt ..."
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