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Psychologie-Studien liefern verzerrtes Bild der Wirklichkeit

Meta-Untersuchung der TU Chemnitz zeigt, dass bisherige Konventionen zur Interpretation empirischer Studien in den Sozialwissenschaften kaum aussagekräftig sind

 

Wie bedeutsam sind gefundene Effekte in empirischen Studien der Psychologie? Um diese Frage zu klären, entwickelte der Statistiker Jacob Cohen in den 1960er Jahren erstmals Konventionen. Diese besagen, dass etwa eine Korrelation zwischen zwei Merkmalen von „.1“ einen kleinen und eine von „.5“ einen großen Zusammenhang bezeichnet.

Sozialwissenschaftliche Disziplinen wie die Psychologie verwenden diese Konvention seitdem, um ihre empirischen Ergebnisse zu interpretieren. So entspricht etwa der durchschnittliche Effekt von Psychotherapie – gegenüber unbehandelter Kontrollgruppen – einer Korrelation von etwa „.3“, was laut der Konventionen von Cohen als mittelgroßer Effekt gilt. Ob diese Konventionen aber tatsächlich der Verteilung der realen empirischen Effekte entsprechen, wurde nicht systematisch untersucht – bis jetzt.

Die Ergebnisse dieser umfassenden Studie lassen mögliche Rückschlüsse auf bisher in Studien belegte Erkenntnisse aus den Sozialwissenschaften zu. So ist zu vermuten, dass beispielsweise die Effekte psychotherapeutischer Methoden geringer sein könnten, als angenommen. Die Forscher plädieren daher dafür: „Die bisher publizierten Effekte scheinen die wahren Effekte in der Grundgesamtheit deutlich zu überschätzen. Die Konventionen, die bisher für die grobe Einschätzung über die Größe eines empirisch gefundenen Effektes in der Psychologie benutzt wurden, sind aktuell so nicht brauchbar und sollten in den nächsten Jahren angepasst werden“, plädiert Prof. Dr. Thomas Schäfer, zur Zeit der Untersuchung wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur Forschungsmethodik und Evaluation der Technischen Universität Chemnitz. Weitere detaillierte Untersuchungen an konkreten Fällen seien dafür nötig.

Effekte weit größer als bisher bekannt

In einer Metastudie konnten Schäfer und Dr. Marcus Schwarz, zur Zeit der Verfassung der Studie Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur Forschungsmethodik und Evaluation der Technischen Universität Chemnitz, zweierlei zeigen: Zum einen scheinen die bisher in der Psychologie publizierten Effekte in etwa doppelt so groß zu sein wie die wahren Effekte in der Population. Das macht folglich den Vergleich eines aktuellen Forschungsergebnisses mit bisherigen Ergebnissen sehr schwierig. Gründe für diese drastische Verzerrung der publizierten Effekte sind einmal der sogenannte „Publication Bias“. Damit ist gemeint, dass nur große oder signifikante Effekte publiziert werden, weil sie etwa spektakulär sind und sich daher gut vermarkten lassen. Ein weiterer Grund sind sogenannte „fragwürdige Forschungspraktiken“, zum Beispiel das gezielte Berichten von großen und das Unterschlagen von kleinen Effekten in Studien mit mehreren Fragestellungen.

Zum anderen unterscheiden sich die Verteilungen der Effekte zwischen den einzelnen Fachbereichen der Psychologie sehr stark, sodass etwa die Biologische Psychologie mit durchschnittlich wesentlich größeren Effekte hantiert als die Sozialpsychologie. „Wir sollen daher beim Interpretieren von Studienergebnissen auf die Konventionen nach Cohen verzichten, da diese nicht allgemeingültig sein können“, folgert Schäfer aus den Ergebnissen.

Kleine und große Effekte deutlich über empfohlenen Konventionen

Zu Beginn ihrer Untersuchung unterteilten die beiden Forscher die Disziplin „Psychologie“ in neun Fachbereiche wie die „Experimentelle Psychologie“, die „Sozialpsychologie“ und weitere. Für jeden dieser Fachbereiche suchte das Team zehn zufällige Fachzeitschriften aus. Aus jeder dieser Fachzeitschriften zogen sie schließlich zufällig und über alle Jahrgänge und Ausgaben hinweg zehn Fachartikel. Aus diesen 900 Artikeln wurden die „Effekte“ extrahiert. Das sind meistens Merkmalsunterschiede zwischen Gruppen oder die Korrelation zweier Merkmale bei einer Stichprobe von Personen. Die Merkmalsunterschiede und die Korrelationen rechneten die Wissenschaftler in standardisierte Effektgrößen um, um sie über alle Arten von Studien hinweg vergleichen zu können.

„In der Auswertung der Daten zeigte sich zunächst, dass die Mitte der Verteilung dieser Effekte relativ gut die vorgeschlagenen Konventionen trifft, die kleinen und großen Effekte aber deutlich über den empfohlenen Konventionen lagen“, resümiert Schäfer.
 

Pressemeldung: https://idw-online.de/de/news715286




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