Der prähistorische Mensch erweiterte seinen Zeithorizont und entwickelte die Fähigkeit, die Psyche anderer Lebewesen wahrzunehmen (Emphronesis, Theory of Mind). Beide Schritte "haben wahrscheinlich die Weichen für die Conditio Humana gestellt," schreibt Carla Czilczer in ihrem Beitrag.
"Der erweiterte Zeithorizont hatte in kognitiver Hinsicht einige Implikationen, welche auch die Zukunftsplanung (z.B. Brennstoffbeschaffung) und folglich das Bewusstwerden über Bedeutung und Konsequenzen von Lebensereignissen betreffen. Das kann Zukunftsunsicherheiten hervorrufen, weshalb im erweiterten Zeithorizont z.B. auch die kognitive Grundlage für Suizid oder für Ablehnung von Neugeborenen gesehen wird.
Zukunftsunsicherheiten brachten verstärkt exploratives Verhalten, dazu notwendige Kompetenzen und langfristig ausgerichtete soziale Strategien hervor. Entsprechend bedeutsam wurden die Antizipation fremder Antriebslagen - und Vorstellungen davon, was Andere wissen oder nicht wissen können. Im Rahmen der Emphronesis werden Vermutungen über Ansichten Anderer angestellt.
Die wechselseitige Erinnerung prosozialer Aktivitäten und das Wissen darum (Emphronesis) begründen vor dem Hintergrund eines langfristig erweiterten Zeithorizonts sowie der Fähigkeit, zwischen richtig und falsch zu unterscheiden, das Streben nach Selbstwert und Anerkennung. Eine entsprechende Abhängigkeit von fremdem Urteil hängt eng mit Gefühlen wie Schuld und Scham zusammen und ermöglicht Entschuldigen und Verzeihen ..."
Uwe Krebs (Hrsg.) Woher und wie? Verhalten und Erleben in der Geschichte der Menschheit.
(Band IX der Reihe Psychogenese der Menschheit, herausgegeben von Gerd Jüttemann)
Pabst 2023, 210 Seiten, Hardcover
