"Ein polyamorer Lebensstil hat Auswirkung auf die Identität." Polyamore Beziehungen gelingen nur bei einem hohen Grad an Bewusstheit, Rücksicht, Verständnis, Abstimmung. "Dazu gehört das gemeinsame Verständnis über die Tatsache, dass die Beziehung mit Ehrlichkeit besprochen wird. Dadurch kommt es zu einer stärkeren Reflexion und zu einer verstärkten Wahrnehmung der eigenen Bedürfnisse im Blick auf Geborgenheit und Nähe.
Polyamorie kann proaktiv zur Entwicklung der Identität beitragen, indem es bewusst als alternatives, unbürgerliches Lebensmodell gesehen wird. Hier lebt man nicht nur nebeneinander, sondern bewusst miteinander. Eine Interviewpartnerin formuliert: ´So habe ich ein weit besseres Leben als die meisten Menschen, die in den ´sexless mariages´ gefangen sind, bei denen es abends hauptsächlich darum geht, wer Kopfschmerzen hat und wer den Müll raus bringt...´"
Gleichzeitig fühlen sich Polyamore freier; eine Betroffene formuliert: "Poly heißt, dass man nicht so abhängig ist von jemand anderem. Die wichtigste Beziehung ist die Beziehung mit dir selber ... Die Selbstbestimmung spüre ich deutlicher als früher."
"Dadurch, dass einige Beziehungen, die lockerer waren, auch parallel gelaufen sind, habe ich gemerkt, dass ich auch durchaus mehrere Männer sehr gerne haben kann - auch wenn es nicht für eine fixe Partnerschaft reicht. Dann habe ich das Gefühl gehabt, dass hier eine Tür offen ist, von der ich nicht weiß, ob ich sie wieder schließen kann. Diese Freiheit, dass man unterwegs einfach seinen Gefühlen und seinem Instinkt folgen kann, wenn man jemanden trifft, den man gut findet ..."
"Emotionen wie Eifersucht sind auch in polyamoren Beziehungen Herausforderungen, die zu bewältigen sind. Dennoch bieten sie die Möglichkeit, persönlich zu wachsen." Eine Interviewpartnerin sagt, "dass es auch in diesem Kontext zu Verletzungen und Enttäuschungen kommt. Ich habe in der Gruppe schon viel gelitten, aber es ist unter dem Strich eine überwiegend positive Bilanz, und ich bekomme so viel heraus und wachse sehr daran, dass ich das um nichts in der Welt eintauschen würde ..."
Natascha Ditha Berger: Polyamorie & Identität in der psychotherapeutischen Beziehung.
Pabst, 2024, 78 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-95853-919-8, eBook ISBN 978-3-95853-920-4
Vieregge, C. Juliane: Die Perle in der Auster
Ein Plädoyer für mehr Leidenschaft
Pabst, 272 Seiten, Print: 978-3-89967-728-7