Berger: "Einander die Freiheit zuzugestehen, die Beziehung zu öffnen, braucht viel Vertrauen. Man kann nur darauf vertrauen, dass beide auf ihre Bedürfnisse und gleichzeitig aufeinander schauen. Es gilt nicht: Ich lebe poly und kann machen, was ich will. Im Gegenteil: Es gilt maximales Commitment - und zwar nicht nur zu einer Person."
Für ihre Studie hat Berger sowohl Frauen als auch Männer befragt - und auch die Verwirklichung feministischer Ansprüche beobachtet, z.B. in der Aussage: "Ich bin jetzt, was eben poly auch heißt, dass man nicht so abhängig ist von jemand anderem. Die wichtigste Beziehung ist die Beziehung mit mir selber ... Die Selbstbestimmung spüre ich deutlicher als früher." Konkret: "Einer der wichtigsten Effekte war, dass jede(r) von uns in der Konstellation gelernt hat, für einen guten Teil der eigenen Bedürfnisse selbst zu sorgen und nicht mehr zu verlangen. Verlangen ist vielleicht ein hartes Wort, aber insgeheim zu erwarten, dass das Gegenüber die Bedürfnisse erfüllt ..."
Ähnlich: "Hauptsächlich geht man rational ran und redet und verhandelt und schaut, ob das überhaupt geht und was nicht geht, welche die eigenen Bedürfnisse sind und welche die der anderen. Es ist ziemlich komplex, aber ich finde es besser, als monogam zu leben."
Eifersucht? Die Verletzungsgefahr ist hoch. Eine Interviewpartnerin reflektiert ihre Enttäuschungen: "Ich habe in der polyamoren Gruppe viel gelitten, aber es ist unter dem Strich eine positive Bilanz." In einer Studie aus den USA geben etwa 20 Prozent der Befragten an, zeitweise polyamor gelebt zu haben.
Benötigen polyamor lebende Menschen eine Psychotherapie sieht Berger als erste Anforderung: Die Therapeutin/der Therapeut muss die nichtmonogame Lebensweise verstehen und akzeptieren; Empathie ist ebenso zentral wie der Blick auf die individuelle Identitätsstärkung.
Natascha Ditha Berger: Polyamorie und Identität in der psychotherapeutischen Beziehung.
Pabst, 80 S., Hardcover ISBN 978-3-95853-919-8, eBook 978-3-95853-920-4