Sie ist allerdings im Einzelnen unterschiedlich akzentuiert - und meist nicht in klarer Übereistimmung zwischen der jeweiligen Partei und ihren WählerInnen:
- Weibliche und ältere Abgeordnete distanzieren sich bei ihren Gerechtigkeitsüberzeugen besonders häufig von Leistungsprinzipien.
- CDU/CSU-Abgeordnete glauben am stärksten daran, dass die Welt gerecht sei - in deutlichem Gegensatz zur Allgemeinbevölkerung und ihrer eigenen Klientel. Die Psychologen sprechen von einer "Gerechtigkeitsillusion" bei Unions-Politikern. Ein "Gleichheitsprinzip" spielt hier eine eher untergeordnete Rolle, das Leistungsprinzip steht im Vordergrund.
- Anderseits nehmen Bundestagsabgeordnete von SPD und (noch stärker) LINKE die Welt als vorwiegend ungerecht wahr. Dabei ist das Ungerechtigkeitsempfinden bei diesen Politikern deutlich stärker ausgeprägt als bei ihren eigenen Wählern. Verteilungsgerechtigkeit nach dem Leistungsprinzip wird von der Mehrheit der "roten" Parlamentarier negativ gesehen, von einem großen Teil ihrer Wähler jedoch gewünscht.
Die Studienergebnisse "zeigen, dass MdBs stärker als Wähler leiden, wenn sie Ungerechtigkeit beobachten, von ihr profitieren oder sie selbst anderen zufügen. Diese Formen der Ungerechtigkeitssensibilität sind generell wünschenswert, weil sie mit prosozialem Verhalten korrelieren. Sie erklären jedoch nicht, warum Politiker die soziale Situation in Deutschland als deutlich gerechter erleben als Bürger. Offenbar reagieren Politiker auf andere Formen von Ungerechtigkeit sensibel.
"David Reinhaus, Holger Jelich, Volker Tschuschke: Gerechtigkeitsüberzeugungen von Bundestagsabgeordneten.
In: Politische Psychologie 1/2020
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