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Patienten irren sich häufig: "Die Umwelt macht mich krank!"

Zerstörung der Ozonschicht, gentechnisch veränderte Lebensmittel, Antibiotika, Hormone oder chemische Zusätze in Lebensmitteln ... Die Liste umweltbedingter Krankheitsvorstellungen wächst immer weiter. Nur sechs Prozent der Bundesbürger sind diesbezüglich unbesorgt. Die Mehrheit klagt - teils berechtigt, teils irrtümlich: "Die Umwelt macht mich krank!"

Aber, fragt Dr. med. Constanze Hausteiner-Wiehle, Privatdozentin für Psychosomatik und Psychotherapie an der TU München, sind umweltbezogene Krankheitsvorstellungen legitim? "Dass Menschen die Ursachen für ihre Körperbeschwerden (auch) in der Umwelt suchen, ist (...) zunächst einmal alles andere als irrational. Zweifellos können Umweltbelastungen gesundheitliche Risiken bergen (...). Als ‚Endverbraucher’ sind wir umgeben von einer Vielzahl natürlicher und synthetischer chemischer Substanzen, deren Wirkungen und Wechselwirkungen in einer sich ständig verändernden Umwelt nur unzureichend bekannt sind."

Indes warnt sie vor einer vorschnellen Einengung von Kausalitätsannahmen, vor allem weil betroffene Patienten neben körperlichen Beschwerden fast immer auch über psychische Merkmale wie Niedergeschlagenheit oder sozialen Rückzug klagen.

Psychische Ursachen der körperlichen Beschwerden kategorisch ausschließen sollte der behandelnde Arzt nicht, denn "möglicherweise sind umweltbezogene Ängste und Beschwerden (...) sowohl durch biologische als auch psychosoziale Einflussfaktoren zu erklären." Indes mangelt es an einschlägiger Forschung.

Die Möglichkeit, eine Krankheitsursache konkret benennen zu können, etwa die Wirkung einer toxischen Einzelsubstanz, schädliche Arbeits- oder Familienverhältnisse, soziale Ungerechtigkeiten, "lässt vielleicht besser verstehen, warum Betroffene die Möglichkeiten, an einer psychischen (‚inneren’) Problematik zu leiden, in der Regel weit von sich weisen."

In der Folge führt die Überzeugung, den vermeintlichen Auslöser der Krankheit gefunden zu haben, zu einer Verhaltensänderung wie "’therapeutische’ Schadstoffvermeidung (...), Abschottung von Sozialkontakten und Verstärkung bestehender Ängste", führt Hausteiner-Wiehle aus.

Betroffenen Patienten zu helfen, stellte sich im Einzelfalle wegen schwieriger Benennung der tatsächlichen Ursachen und wegen möglicher Vermeidungsstrategien der Patienten sehr komplex dar.

Hausteiner-Wiehle empfiehlt gegen die körperlichen Beschwerden Entspannungstechniken, Yoga und ähnliche körperzentrierte Verfahren. Ferner sollte "der Umweltbezug im Einzelfall kritisch geprüft werden, um tatsächliche äußere Noxen zu identifizieren, jedoch ohne intraindividuelle Ursachen zu vernachlässigen." An die Forschung geht der Aufruf, umweltbezogene Ängste und Körperbeschwerden, die "nicht nur häufig, sondern auch legitim" sind, stärker in den Fokus zu nehmen.

"Die Umwelt macht mich krank - umweltbezogene Krankheitsvorstellungen" ist einer von gut zwanzig Beiträgen in der Veröffentlichung "Krankheitsvorstellungen von Patienten", mit der sich die Herausgeber Hans-Wolfgang Hoefert und Elmar Brähler an behandelnde Ärzte und Psychotherapeuten wenden. In grundlegenden Artikeln, aber auch auf konkrete Erkrankungen wie Leukämie, Bluthochdruck oder Krebs bezogenen Beiträgen, durchleuchten sie umfassend das Bild, das Betroffene von ihrer eigenen Krankheit haben. Bereits während der Anamnese nach diesem Bild zu fragen, sei unverzichtbar, "denn von solchen Vorstellungen hängt in erheblichem Maße die Bereitschaft ab, an einer folgenden Therapie adhärent mitzuarbeiten(...) Wenn sich die Krankheitsvorstellungen der jeweiligen Behandler nicht mit denen der Patienten decken, dann fühlen sich Patienten nicht nur unverstanden, sondern wechseln auch leichter den Behandler."


Krankheitsvorstellungen von Patienten
Herausforderung für Medizin und Psychotherapie
Hoefert, Hans-Wolfgang; Brähler, Elmar (Hrsg.)




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