„Wir haben das Konzept der sexuellen Motivation danach definiert, wie häufig jemand sexuelle Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen erlebt. Menschen mit ausgeprägter sexueller Motivation denken häufiger an Sex, verspüren häufiger sexuelles Verlangen und masturbieren mehr“, erklärt Malte Friese, Professor für Sozialpsychologie der Universität des Saarlandes und Co-Autor der Studie. Diese Kriterien haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf über 200 internationale Studien angewendet, die sich auf dieses Themenfeld bezogen, nach 1996 erschienen sind und Personen ab 14 Jahren umfassten. Sie analysierten dabei, ob und inwiefern in den Studien Unterschiede zwischen Frauen und Männern zu erkennen waren.
„Wir haben festgestellt, dass es tatsächlich Abweichungen gibt und Männer eine stärkere sexuelle Motivation als Frauen haben. Der Unterschied ist etwas weniger als halb so groß wie der Geschlechterunterschied in der Körpergröße“, sagt Friese. Hierbei müsse man aber weiter differenzieren und dürfe nicht alle Menschen über einen Kamm scheren. Über einzelne Personen sagen die Ergebnisse nichts aus. „Auch wenn Männer im Durchschnitt eine stärkere sexuelle Motivation haben als Frauen, gibt es viele Frauen, die mehr Lust auf Sex haben als viele Männer. Wir schätzen auf Basis unserer Daten, dass 24 bis 29 Prozent der Frauen stärker von Sex motiviert sind als der durchschnittliche Mann", erläutert der Wissenschaftler. Dass Männer eine stärkere sexuelle Motivation haben als Frauen hätten auch schon frühere Untersuchungen zu diesem Thema bestätigt, hinsichtlich der Größe des Unterschieds bestanden aber offene Fragen.
Herausfordernd war für die Forscherinnen und Forscher die Frage, wie man herausrechnen kann, dass Menschen möglicherweise nicht immer ehrlich antworten, wenn sie über ihre eigenen sexuellen Neigungen sprechen. „In unseren Daten gab es einige Hinweise auf solche ungenauen Antworten, die auch mit kulturellen Einflüssen zu erklären sein könnten. Zum Beispiel gaben Männer an, mehr Sexualpartnerinnen gehabt zu haben als Frauen Sexualpartner. In heterosexuellen Gruppen sind nennenswerte Unterschiede aber unwahrscheinlich, sondern möglicherweise ein Anzeichen verzerrten Antwortverhaltens von Frauen oder Männern oder von beiden“, erklärt Friese. Durch das Abgleichen ähnlicher Unschärfen fand das Forscherteam heraus, dass es tatsächlich verzerrte Antworten gegeben haben könnte. Diese veränderten die Ergebnisse aber nur geringfügig, ein geschlechtsspezifischer Unterschied in sexueller Motivation war weiterhin festzustellen.
Wie sich dieser Unterschied erklären lässt, war nicht Thema dieser Meta-Studie, sondern lässt weiterhin Spielraum für Interpretationen. „Wir gehen davon aus, dass die sexuelle Motivation wie andere komplexe menschliche Eigenschaften sowohl von sozialen als auch von genetischen Faktoren bestimmt ist. Wenn zum Beispiel Kinder schon beobachten, dass Männer und Frauen ihre Sexualität unterschiedlich ausdrücken und andere dies wertschätzen oder ablehnen, lernen sie, sich später entsprechend zu verhalten“, so Malte Friese. „Ebenso sagt unsere Arbeit nichts darüber aus, ob eine weniger oder stärker ausgeprägte sexuelle Motivation wünschenswert ist – eine Wertung steckt in diesen Ergebnissen in keiner Weise“.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Malte Friese
Arbeitseinheit Sozialpsychologie
Tel.: 0681 302-3196
E-Mail: malte.friese@uni-saarland.de
Originalpublikation:
Julius Frankenbach, Marcel Weber, David Loschelder, Helena Kilger, Malte Friese:
Sex drive: Theoretical conceptualization and meta-analytic review of gender differences
in: Psychological Bulletin. Advance online publication: https://doi.org/10.1037/bul0000366
Literatur zum Thema
Vieregge, C. Juliane Die Perle in der Auster
Ein Plädoyer für mehr Leidenschaft
Pabst: 2012, 272 Seiten