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Mentale Gesundheit nach Kriegsausbruch in Ukraine international beeinträchtigt

Julian Scharbert

Prof. Dr. Mitja Back (Thomas Mohn Fotografie)

Der Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine führte international zu einem kollektiven Einbruch des Wohlbefindens – unabhängig von individuellen Eigenschaften der Personen. Bei der Erholung von diesem Schock sind hingegen die Persönlichkeitsmerkmale maßgebend. Die Studie unter Leitung von Julian Scharbert und Prof. Dr. Mitja Back wurde in „Nature Communications“ veröffentlicht.

Der Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor fast zwei Jahren hat international zu einem kollektiven Einbruch des Wohlbefindens geführt – unabhängig von Alter, Geschlecht, politischer Orientierung oder sonstigen Eigenschaften der befragten Personen. Mit Blick auf die Erholung von diesem Schock sind hingegen individuelle Persönlichkeitsmerkmale maßgebend. Zu diesen Ergebnissen kommt ein internationales Forscherteam unter der Leitung der Psychologen Julian Scharbert und Prof. Dr. Mitja Back der Universität Münster. Die Studie basiert auf etwa 45.000 Einzelerhebungen von 1.300 befragten Personen aus 17 europäischen Staaten, an der über 50 Forscher beteiligt waren. Sie wurde jetzt im Fachjournal „Nature Communications“ veröffentlicht.

Die von Ende 2021 bis Sommer 2022 durchgeführte Studie ermöglichte eine Untersuchung der täglichen Stimmungsverläufe in den Wochen des Kriegsausbruchs. „Normalerweise ist es nicht möglich, derart einschneidende Ereignisse in einem präzisen Zeitfenster bei gleichzeitiger geografischer Breite zu untersuchen“, ordnet Mitja Back die Relevanz ein. Die Daten seien „einzigartig“. Die Forscher konzentrierten sich auf Menschen in Europa und einen zweimonatigen Zeitrahmen um den Kriegsausbruch am 24. Februar 2022.

Die wichtigsten Ergebnisse in Kürze:
Die messbare kollektive psychische Beeinträchtigung ist größer als nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 und dem Corona-Lockdown 2020.
Menschen in Europa hatten im Vergleich zum Rest der Welt im Erhebungszeitraum ein signifikant niedrigeres Wohlbefinden.
Die Erhebungen lassen keinen direkten Zusammenhang zwischen starker Betroffenheit und aktiver Solidarität, etwa durch Spenden oder Teilnahme an Demonstrationen, erkennen.
An Tagen mit besonders starker Präsenz des Krieges in den sozialen Medien war eine durchschnittlich schlechtere mentale Verfassung zu beobachten.

Die Untersuchung mit Fokus auf der mentalen Gesundheit fügt der Debatte um humanitäre, politische und ökonomische Folgen des Krieges eine weitere Dimension hinzu. Während das Wohlbefinden vor dem Kriegsausbruch stabil war, kam es am Tag der russischen Invasion zu einem kollektiven Abfall. Mit Blick auf die Erholung von dieser Erschütterung stießen die Forscher hingegen auf systematische Unterschiede. „Menschen mit einer anfälligeren, wenig stabilen Persönlichkeit haben sich im Unterschied zu gefestigteren Personen im Schnitt auch einen Monat nach Kriegsbeginn noch nicht erholt“, erläutert Julian Scharbert, Doktorand und Erstautor der Studie.

„Neben den offensichtlichen Folgen des Krieges wie Flucht oder unterbrochene Versorgungsketten gibt es eine weniger offensichtliche Dimension: die Auswirkungen der täglichen Nachrichten und Bilder auf die Psyche“, sagt Julian Scharbert. „Unsere Daten weisen darauf hin, dass politische und gesellschaftliche Akteure in Krisenzeiten auch die mentale Gesundheit in den Fokus nehmen sollten – besonders von Menschen, die ohnehin anfälliger für Belastungen sind.“ Menschen in der Ukraine und Russland würden psychisch vermutlich ungleich größer belastet sein, zu diesen Ländern lägen allerdings keine Daten vor.


Originalpublikation:

Julian Schabert et al. (2024): Psychological well-being in Europe after the outbreak of war in Ukraine. Nature Communications; DOI: 10.1038/s41467-024-44693-6.

Quelle: https://idw-online.de/de/news828933




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