In seinem Vortrag auf dem 6. Münchner Forensik-Symposium im Juli 2011 im Isar-Amper-Klinikum München-Haar verdeutlicht der Psychologe und Psychiater Wolfgang Krahl das Verhältnis von Kultur und Psychiatrie und zeigt auf, dass es nicht so sehr die Migration selbst als vielmehr die erlebten psychosozialen Belastungen und sozialen Ausgrenzungen sind, die zu erhöhten psychischen Risiken bei Migranten führen. Diesen Belastungen stellt er salutogenetische Faktoren gegenüber, die es Migranten erleichtern können, sich in der neuen Heimat einzufinden. Zu diesen protektiven Faktoren für eine gelingende Integration zählen u. a. ein sicherer Arbeitsplatz, das Erlernen der deutschen Sprache, Orientierung und Rückversicherung der eigenen Gruppe, Unterstützung durch die Großfamilie, eigene kulturelle Identität, soziale Bindungen im Hinblick auf die Herkunftsgesellschaft, Beteiligung in örtlichen Sportvereinen, gemeinsame Kulturangebote nutzen, Mitarbeit in Gewerkschaften und Parteien.
Der Autor, der unter anderem durch seine jahrelange Tätigkeit in Malaysia über umfangreiche Erfahrung mit dem Leben und Arbeiten in fremden Kulturen verfügt, gibt einen Überblick über die häufigsten psychiatrischen Erkrankungen bei Menschen mit einem anderen kulturellen Hintergrund. Die zahlreichen spezifischen Fähigkeiten, die Therapeuten im Umgang mit diesen Patienten haben sollten, werden erläutert, wie z. B. Unvoreingenommenheit, Sprach-Akzeptanz, nonverbale Achtsamkeit, Neugier und Wissenserwerb über andere Kulturen, Empathie, Wertschätzung, Echtheit, Ambiguitätstoleranz, Frustrationstoleranz, Konfliktfähigkeit usw.
Literatur:
Forensische Psychiatrie als Randkultur - zwischen interkultureller Spannung und multikultureller Integration
Steinböck, Herbert (Hrsg.)