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Kroatien: Die Tragödie von Bleiburg und zunehmende Trauma-Folgestörungen

Kroatien bleibt in seiner traumatisierenden Geschichte gefangen: Krieg, Niederlage, Sieg, Opfer, Täter, Befreiung. Kroaten gedenken heute der Tragödie von Bleiburg: Am 14. Mai 1945 begann in der Kleinstadt in Kärnten ein Massaker, dem mehr als 100.000 Menschen - in erster Linie Kroaten - zum Opfer fielen. Am kommenden Wochenende pilgern 15.000, vielleicht auch 20.000 Kroaten zur Gedenkstättte nach Bleiburg und feiern eine Gedenkmesse, wie in jedem Jahr.

Zum Ende des ersten Weltkriegs ergoss sich ein Flüchtlingsstrom von etwa 500.000 Zivilisten und 200.000 Bewaffneten aus Jugoslawien - überwiegend Kroaten - nach Kärnten, um sich im britischen Hoheitsgebiet in Sicherheit zu bringen. Die Angst vor den siegreichen kommunistischen Partisanen Titos war nicht unbegründet. Dies wusste auch der britische Brigadegeneral Patrick Scott. Doch er wusste nicht, wie er das Asyl von einer halben Million Zivilisten und die Gefangenschaft von 200.000 Militärs organisieren sollte. Er bediente sich einer List: Er forderte die kroatischen Offiziere auf, ihre Einheiten zu entwaffnen und auf die Gefangenschaft vorzubereiten. Doch als die Waffen abgeliefert waren, überließen die Briten die wehrlosen Kroaten den Partisanen.

 

Bereits auf österreichischem Boden begannen die ersten Erschießungen. Die Flüchtlinge wurden nach Jugoslawien zurückgetrieben, Todesmärsche folgten, Folterungen, Massaker. Neben Kroaten waren Deutsche, Österreicher, Slowenen, Montenegriner, Serben, Italiener betroffen. Tito äußerte sich zufrieden damit, dass seine Partisanen nach Jahren der Entbehrung endlich eine Chance hatten, "ihren Hass im orgiastischen Blutrausch" auszuleben. Das Blutbad festigte die Macht Titos und endete im Herbst 1945.

 

In der Folgezeit wurden die traumatischen Erlebnisse im titoistisch regierten Jugoslawien offiziell "totgeschwiegen". Thematisiert wurden lediglich die Verbrechen des faschistoid-kroatischen Ustascha-Regimes und des kroatischen NS-Konzentrationslagers Jasenovac (1941-1945). Die erste authentische Dokumentation zur "Bleiburger Tragödie" mit Augenzeugenberichten legte Wolfgang Pabst 1982 vor; er stellte die Ereignisse in den größeren Zusammenhang eines serbisch-jugoslawischen Terrors gegen Kroaten seit dem ersten Weltkrieg bis zum Ende der 1970er Jahre.

 

Während der Kriege 1991 bis 1995 konnte sich Kroatien aus der serbisch-jugoslawischen Dominanz befreien. Doch die Vergangenheit ist unbewältigt, urteilt zurecht die Zagreber Sozialpsychologin Dinka Corkalo-Biruski. "Nach dem Krieg haben wir uns alle gefreut, dass er vorbei war. Wir dachten, jetzt bauen wir auf, jetzt pflegen wir unsere Verwundeten und beweinen unsere Opfer und schreiten voran. Aber dann begann das, was ich Glorifizierung und Vergöttlichung des Krieges nenne. Es gab und gibt kein anderes Narrativ als das vom Sieg, von unseren Opfern, unseren Leiden. Eine Identität hat sich im öffentlichen Raum auf dieser Basis nicht bilden können."

 

Der Publizist Norbert Mappes formuliert: "Krieg, Feind, Vaterland, Volk, Verrat - das sind die Schlüsselbegriffe des Diskurses, der in Kroatien von Monat zu Monat hitziger geführt wird. Es klingt wie ein Befund aus einer psychiatrischen Krankengeschichte, wenn die Sozialpsychologin den mentalen Zustand ihrer Nation beschreibt." Viele Symptome deuten auf Trauma-Folgestörungen hin. Auf diesem Boden gedeihen Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit. Immer demonstrativer haben sich rechtsradikale Kroaten mit Ustascha-Zeichen (nicht nur) während der Bleiburg-Gedenkveranstaltungen präsentiert, immer häufiger werden Ustascha-Verbrechen relativiert. Und die "linke" Gegenseite wartet mit Gegendemonstrationen auf, um die Bleiburg-Erinnerungen als Propaganda-Legende zu desavouieren. Die alten Fronten sind wieder sichtbar.

Literatur

 

Wolfgang Pabst und ***: Du sollst schön langsam sterben.
Der Terror des jugoslawischen Regimes gegen kroatische Bürger.
MCWOLF Verlag/Pabst Science Publishers, 194 Seiten.
ISBN 978-3-928057-04-2 

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Harald C. Traue, Reinhard Johler, Jelena Jancovic Gavrilovic (Eds.)
Migration, Integration and Health The Danube Region.
Pabst, 368 pages, ISBN 978-3-89967-641-9

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