"Jeder Mensch hat eine Lebensphilosophie und Weltanschauung. Ob man diese bewusst hat, pflegt und ausarbeitet oder ob einem seine Lebensphilosophie und Weltanschauung unbewusst ist, spielt dabei keine Rolle. Als Mensch kann man gar nicht anders als philosophieren; denn wenn man auch viele der eigenen Gedanken und Kognitionen nicht unter diesem Code wahrnimmt, ist man im Grunde ständig am Philosophieren," formuliert Poltrum seinen Ansatz.
"Unter Umständen ist eine unzureichende oder verengte Weltsicht mit Ursache für die Probleme, in die sich jemand hineinmanövriert hat. Wenn dem so ist, dann bedarf es der Liebe zur Weisheit. Horizonterweiterung, Einstellungsmodulation, polyperspektivisches Denken - das sind von jeher Leistungen der Philosophie," schreibt Martin Poltrum in seinem Buch "Klinische Philosophie".
"Philosophische Erörterungen sind im klinischen Kontext erstens dazu in der Lage, durch die Darstellung verschiedenster Denksysteme Hoffnung auf Besserung zu induzieren und die Erwartung zu wecken, dass die Therapie gelingt. Mit Platons Ideenlehre kann man darauf verweisen, dass es hilft, sich für Ideale zu engagieren; mit Kant lässt sich zeigen, dass es einen freien Willen gibt; und mit Ernst Bloch können wir davon überzeugen, dass Sehnen, Wünschen und Hoffen ins Gelingen verliebte Empfindungen sind. Empfindungen nah an der Erfüllung - solche Gedanken brauchen unsere Patienten.
Zweitens kann Philosophie auch kognitive Selbstmedikation sein. Unsere ´Vorlesung zur Lebenskunst´ versucht, die Patienten wieder in Kontakt mit ihren Selbstheilungskräften, mit ihrem psycho-noetischen Immunsystem zu bringen ..."
Klinische Philosophie – Logos Ästhetikus und Philosophische Therapeutik
Poltrum, Martin