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Kinderschutz: zuviele Institutionen, zuwenig Wissenschaftlichkeit

Aufmerksamkeit und Engagement im Problemfeld "Kindeswohlgefährdung" sind gegenwärtig in der deutschen Öffentlichkeit hoch. Der Verbesserungsbedarf der praktischen Arbeit scheint allerdings häufig noch höher, berichten Dr. Wilhelm Körner (Münster), Professor Dr. Günther Deegener (Homburg/Saar) und Kollegen in ihrem neu erschienen Handbuch "Erfassung von Kindeswohlgefährdung in Theorie und Praxis".

Die Psychologen sehen die betroffenen Institutionen und Therapeuten in der "Gefahr, dass die Vernetzungen und Kooperationen untereinander eher zu einer Art Beschäftigungstherapie von HelferInnen gerinnen... Dabei sind im Laufe der Zeit die Arbeitskreise u.a. im Rahmen der Projekte zu den ´frühen Hilfen´ bzw. den Früherkennungen von Kindeswohlgefährdung immer größer geworden mit 20 bis 30 verschiedenen Institutionen bzw. Professionen." Die Autoren sprechen von einem "Organisations-Ungeheuer - einer Hydra mit einer schier unübersichtlichen Zahl von Köpfen."

Professor Dr. Michael Fegert und Kollegen (Ulm) "berichten, dass von 47 sexuell missbrauchten Mädchen und Jungen aus Berlin und Köln während der Aufdeckungsphase bereits 45% vier bis sechs Institutionen und 26% sieben bis zehn Institutionen kontaktiert hatten. Zum zweiten Untersuchungszeitpunkt eineinhalb Jahre später hatten sogar bereits fast 60% der Kinder mehr als sieben Institutionen aufgesucht ..."

Dr. Heinz Kindler (München) analysiert in einer persönlich gefärbten Übersicht reichhaltige "Denkfehler und andere Praxisirrtümer im Kinderschutz" - z.B. fehlerhafte Alltagstheorien und missverstandene Forschungsergebnisse:

Selbst wenn wissenschaftliche Studien "vorliegen, ist es für interessierte Fachkräfte aus der Praxis sehr schwer, sich ein eigenes Bild von der Befundlage zu machen, wobei mangelnde Zeit, fehlender Zugriff auf wissenschaftliche Literatur, Motivationsprobleme aufgrund ´schlechter´ Erfahrungen mit wenig praxisrelevanter Forschung und ein eingeschränktes Verständnis von Forschung wesentliche Hinderungsgründe darstellen."

Nach Ansicht von Kindler ist die Soziale Arbeit insofern in einer besonders prekären Situation, "als sich Teile der Disziplin besonders schwer damit tun, nicht allein auf Plausibilität, Einfühlung, Engagement und Praxis- bzw. Lebenserfahrung zu vertrauen."

Im Hinblick auf den Kinderschutz sieht Kindler "keinen Hinweis darauf, dass Studienabsolventen in einer der beteiligten Disziplinen besonders intensive Kenntnisse der empirischen Befundlage vermittelt bekommen würden, d.h. - von einzelnen Studienorten abgesehen - stehen die meisten Fachkräfte aus allen Disziplinen zu Beginn einer Tätigkeit im Kinderschutz vor der Schwierigkeit, sich den Kenntnisstand erst aneignen zu müssen ..."


Erfassung von Kindeswohlgefährdung in Theorie und Praxis
Körner, Wilhelm; Deegener, Günther (Hrsg.)




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