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Kinderschutz: Denkfehler und Praxisirrtümer sind häufig

Die Fehlerrisiken im Kinderschutz sind auch für qualifizierte und engagierte Fachkräfte hoch. Daher werden strukturierte, wissenschaftlich fundierte Einschätzungsverfahren immer häufiger eingesetzt. Ob damit das Irrtumspotential im Kinderschutz signifikant reduziert wird, ist noch offen. Dr. Heinz Kindler (Deutsches Jugendinstitut München) hat eine persönlich gefärbte, reichhaltige Fehler-Übersicht zusammengestellt. Sie erschien im Handbuch "Erfassung von Kindeswohlgefährdung in Theorie und Praxis".

Als Beispiel alltäglicher Schwachstellen nennt Kindler die sogenannte "Verfügbarkeitsheuristik": Eine Fachkraft sieht eine unspektakuläre Problemfamilie und fühlt sich an ein desaströses Ereignis erinnert; letzteres "koloriert" die aktuelle Beobachtung und löst eine Fehleinschätzung aus. Auf diese Weise kann nach einem Todesfall die Bereitschaft zu Zwangsmaßnahmen überproportional steigen.

Noch häufiger entwickeln sich Fehlschlüsse, wenn die Fachkraft initial eine Arbeitshypothese aufstellt und im Anschluss selektiv v.a. die Beobachtungen verarbeitet, die die Annahme zu bestätigen scheinen; andere Informationen werden unterbewertet oder ignoriert.

Immer wieder beobachtet Kindler eine "negative Mobilisierung": Risiken werden stärker wahrgenommen als Chancen. Negative Mobilisierung ist einerseits sinnvoll, da eine Gefährdung zu irreversiblen Schädigungen bei Kindern führen kann. Daraus folgt u.U. die Entscheidung: Lieber einmal zu oft ein Kind Inobhut nehmen als einmal zuwenig. Es wird nicht mehr ernsthaft geprüft, ob eine weniger einschneidende Maßnahme angezeigt wäre.

Kindler warnt allerdings vor dem Eindruck, "in der deutschen Kinderschutzpraxis komme es im Alltag nur mit viel Glück nicht täglich zu mehreren schwerwiegenden Fehlschlägen." Er sieht in kritischer Selbstreflexion und interdisziplinärer Kollegialität optimale Chancen für eine Qualitätssicherung.




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