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Jahrbuch Sucht: Warum sich unter Alkohol die Aggressivität gegen die Polizei entlädt

Eine alltägliche Rauschgift-Personenkontrolle eskalierte in Stuttgart zu einer gewalttätigen Straßenschlacht zwischen Polizeibeamten und mehr als 500 (überwiegend alkoholisierten) Jugendlichen. Die Überraschung war in der Öffentlichkeit groß - doch in der Fachwelt relativ klein. Die Ursachen sind mehrschichtig. Das Jahrbuch Sucht 2020 erläutert, warum in jährlich fast 19.000 Fällen Betrunkene "Widerstand gegen die Staatsgewalt" leisten.

 

Für den Streetworker Serkan Bicen hat der Gewaltausbruch in Stuttgart einen gesellschaftlichen Riss gezeigt: Auf der einen Seite Jugendliche, die wenig Geld haben und im Freien mit Alkohol  feiern wollen - und auf der anderen Seite die wohlhabende Stadtgesellschaft, die sich in Edelrestaurants oder Bars amüsiert. Sowohl die etablierten Bürger als auch Polizisten verhalten sich gegenüber der jugendlichen Spaßgesellschaft häufig "respektlos", berichtet Bicen. "Das sind überwiegend normale junge Leute, die da nur sitzen und feiern, und dann stürmt eine Hundertschaft Polizisten auf sie zu und will die Ausweise sehen." Oft folgt darauf die schroffe Anweisung der Beamten, nachhause zu gehen. "Ich kritisiere das Auftreten von Ordnungshütern, die vielen Kontrollen ...", die während der Corona-Zeit verschärft und vermehrt wurden. Serkan Bicen beobachtete, wie sich mehr und mehr Frust gegen die Polizei aufbaute, - war dann jedoch von der extremen Massivität der Entladung überrascht.

 

Stanley Friedemann und Martin Rettenberger beschreiben im Jahrbuch Sucht 2020 ausführlich drei in diesem Zusammenhang wirksame Mechanismen:

 

- Alkohol  reduziert Ängste und schwächt Hemmungen.

- Alkohol stimuliert, die Agilität steigt, die Aggressionsschwelle sinkt,

- Alkohol erschwert die Fähigkeit zu kontrolliertem Verhalten.

 

Das aktuelle Jahrbuch Sucht nennt für 2018 insgesamt 34.168 Fälle in der Rubrik "Widerstand gegen und tätlicher Angriff auf die Staatsgewalt", davon 54,8%, d.h. fast 19.000 unter Alkoholeinfluss. Demgegenüber registrierte das Jahrbuch Sucht 2011 für das Jahr 2009 wesentlich weniger Widerstandsdelikte: 25.972, davon 65,4% unter Alkoholeinfluss, also etwa 17.000. Die Widerstandsdelikte haben also im nüchternen Zustand wesentlich zugenommen, sind unter Alkohol jedoch fast gleich geblieben; möglicherweise ist dies dem Tatbestand zu verdanken, dass inzwischen weniger Alkohol getrunken wird.

Dies spiegelt sich auch in der Entwicklung der Verkehrsunfälle mit Personenschaden unter Alkoholeinfluss wider: Für das Jahr 2009 registrierte das Jahrbuch Sucht 17.434 Unfälle mit 440 Toten; 2018 wurden 13.934 Unfälle gezählt - mit 244 Todesopfern.

Literatur zum Thema

Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (Hrsg.): Jahrbuch Sucht 2020.
Pabst, 288 Seiten. Hardcover ISBN 978-3-95853-589-3, eBook ISBN 978-3-95853-590-9

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