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Jahrbuch Sucht 2013:
Crystal Meth (N-Methylamphetamin)

Crystal Meth, auch C, Ice oder Crank genannt, hat Deutschlands Medien erobert. Was ist dran an der vermeintlich "neuen" Droge und wie förderlich sind Angst und Horrorszenarien für eine wirksame Sucht- und Präventionspolitik?

Was wissen wir über die Droge?

Crystal Meth ist die kristalline Form von Methamphetamin. Unter den Drogen wird es zu den Amphetaminen gezählt. Die Substanz wirkt stimulierend auf das Zentrale Nervensystem, erhöht Herztätigkeit und Blutdruck, erzeugt Gefühle von Euphorie und verstärkter Wachheit. In hoher Dosierung und bei regelmäßiger Einnahme kann sie für die Konsumenten/innen sehr zerstörerische Folgen haben: Aggressivität und Gewalttätigkeit, Verfolgungswahn oder Suizid. Darüber hinaus führt der Konsum meist zu deutlichen und teils irreversiblen Defiziten der kognitiven Funktionen.

Methamphetamin wird häufig als neue Droge dargestellt, es ist jedoch schon seit Ende des 19. Jahrhunderts bekannt. Eingesetzt wurde es als Pervitin v.a. während des zweiten Weltkriegs. Der Angst und Schmerzempfinden senkende Wirkstoff sollte Soldaten länger durchhalten lassen. Als rezeptpflichtiges Arzneimittel war Pervitin bis 1988 in Deutschland erhältlich.

Heute wird Methamphetamin in Labors vieler europäischer Länder hergestellt. Crystal Meth, das in Deutschland auf dem illegalen Markt ist, wird v.a. in Tschechien produziert. Die Ausgangsstoffe kommen jedoch in vielen handelüblichen Arzneimitteln vor, auch in Deutschland. Daher gibt es auch hier Labore, die synthetische Drogen für den Schwarzmarkt produzieren.

Sichergestellt wurde die Substanz in den vergangenen Jahren v.a. in den Bundesländern, die an Tschechien grenzen. Crystal Meth ist eine billige Droge und wird in den Herstellerländern auch für den Export produziert. Mehr als die Hälfte der in Deutschland sichergestellten Gesamtmenge von Crystal wurde in Sachsen beschlagnahmt, ca. ein Fünftel in Bayern. Der Rest verteilte sich insbesondere auf Nordrhein-Westfalen, Hessen und Thüringen.

Welche Unsicherheiten gibt es bei der Einschätzung der Problematik?

Bislang wird der Konsum von Crystal Meth in den deutschen epidemiologischen Repräsentativstudien nicht separat erhoben, sondern gemeinsam mit anderen Stimulanzien unter den Oberbegriffen "Amphetamine", "Stimulanzien" oder "andere Stimulanzien" erfasst. Daher ist trotz besorgniserregender Berichte aus einzelnen Bundesländern keine fundierte Aussage über die bundesweite Verbreitung dieser Droge zu treffen. Sowohl der Epidemiologische Suchtsurvey bei Erwachsenen als auch die Drogenaffinitätsstudie bei Jugendlichen zeigen nur minimale Schwankungen in der Konsumprävalenz der Amphetamine.

Dies bedeutet nicht, dass es Chrystal in Deutschland nicht gäbe, jedoch muss man bei der Interpretation der zur Verfügung stehenden Daten sehr vorsichtig sein. Anhaltspunkte über die Verbreitung von "Crystal Meth" in Deutschland geben bisher v.a. Anzahl und Menge an Sicherstellungen durch die Polizei, die Anzahl der erstauffälligen Konsumierenden und Berichte aus Suchtberatungsstellen, nicht jedoch repräsentative Studien.

Die genannten statistischen Angaben zeigen deutliche Anstiege: plus 48,8% bei der Sicherstellungsmenge, plus 163,7% bei den erstauffälligen Drogenkonsumenten/ -innen. Sie zeigen aber auch, dass die Problematik auf wenige Gebiete in Deutschland beschränkt ist. Die Berichte aus dem Hilfesystem unterstützen die Annahme, dass Crystal insbesondere in Sachsen und dem bayerisch-tschechischen Grenzgebiet konsumiert wird. Es kann jedoch daraus nicht automatisch abgeleitet werden, dass sich die Problematik in der gleichen Größenordnung auf die anderen Bundesländer überträgt. Auch die Droge Crack sorgte vor einigen Jahren für ähnliches Aufsehen. Ihre Verbreitung ist jedoch ein relativ lokal beschränktes Problem geblieben. Auch in Bayern ist Crystal nicht flächendeckend verbreitet, sondern konzentriert auf das Grenzgebiet.

Was ist zu tun?

Crystal Meth ist ohne Frage eine schnell wirksame, bei regelmäßigem Konsum sehr zerstörerische Droge, die schnell psychisch abhängig macht, v.a. wenn sie inhaliert oder intravenös konsumiert wird.

Da es bislang keine aussagekräftigen Studien über die Verbreitung von Crystal Meth gibt, sind repräsentative Studien notwendig, die den Konsum von Crystal Meth einbeziehen. Sie erst liefern grundlegende Kenntnisse, auf denen sinnvolle Maßnahmen aufbauen können.

Im Rahmen von Kooperationen mit der tschechischen Polizei und den Zollbehörden werden verstärkt Kontrollen im deutsch-tschechischen Grenzgebiet durchgeführt. Auch zahlreiche Drogenlabore wurden ausfindig gemacht. Polizei- und Zollmaßnahmen können das Problem jedoch nicht lösen. Dies hat sich in der langen Geschichte der Drogen gezeigt. Inwieweit Repression überhaupt zur Minderung des Drogenkonsums beiträgt, ist bis jetzt durch keine wissenschaftliche Evaluation belegt.

Suchtprävention und Suchthilfe kämpfen dagegen um ihr Weiterbestehen. Von ihnen werden Wunder erwartet, obwohl es noch nicht einmal eine gesetzlich verankerte Finanzierung für sie gibt, die ihnen ein nachhaltiges Wirken erlauben würde. Hier ist die Politik in der Pflicht, die Voraussetzungen für effektive Präventions- und Handlungsmöglichkeiten zu schaffen.

Die Kommunikation über Crystal Meth muss auf eine aufklärende, zielgruppenspezifische Weise geschehen. Psychoaktiv wirkende Substanzen werden konsumiert, weil sich die Konsumenten/-innen von ihnen bestimmte Wirkungen versprechen. Dies gilt sowohl für die legalen Substanzen Alkohol und Tabak als auch für die illegalen Substanzen. Das Wirkspektrum von Crystal Meth passt ideal zu den Anforderungen der heutigen Zeit: "Immer schneller, immer länger. Und dabei immer besser drauf sein!" Soll sich am Konsumverhalten junger Menschen etwas ändern, dann muss sich auch die gesellschaftliche Bewertung und Darstellung von Erfolg und Misserfolg, von Arbeit und Freizeit, von Leistung und Leistungsgerechtigkeit wandeln.
 

Jahrbuch Sucht 2013
Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) e.V. (Hrsg.)




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