Gern argumentieren Graphologen mit der Historie ihrer angeblichen Wissenschaft. "Geisteswissenschaftlich orientierte Forscher wie Ludwig Klages (1872-1956) nutzten die Graphologie, um wahlweise ihre eigene Persönlichkeitstheorie oder die Psychoanalyse Sigmund Freuds in die Handschrift hineinzuinterpretieren. Erkenntnistheoretisch betrachtet stellt dies ein absurdes Theater dar: Man nehme zwei unbewiesene Gedankengebäude, verbinde sie durch Assoziationen, Meinungen und unbewiesene Behauptungen miteinander, und schon entsteht im Handumdrehen ein Scheinbeleg für die Richtigkeit beider Theorien..," notiert Kanning.
Zusätzliche Überzeugungskraft versuchen Graphologen auch anhand von plausiblen Diagnosen Prominenter zu generieren. Als besonders attraktives Beispiel dient ein Zitat aus dem Schriftdeuter-Standard-Lehrbuch von M. Bernard: "Die vollbusige Sexbombe Mae West aus Hollywood trägt in ihrer Unterschrift ihre üppigen Formen und ihre Beschäftigung mit dem Phallus zur Schau." Dies verschlägt selbst dem wortgewandten Kanning die Sprache.
Neben der Graphologie verortet er in seiner aktuellen Monographie - wissenschaftlich und witzig - noch einige weitere sogenannte Diagnostiksysteme auf dem "Müllhaufen der Geschichte skurriler Ideen": Physiognomik, Astrologie, Namenspsychologie, Farbdeutung, Körpersprache.