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Glücksspielsucht: Die meisten Probleme durch Automaten

Die Versorgungsnachfrage von Glücksspielsüchtigen ist in den letzten Jahren stark gestiegen. 15.800 Spieler haben sich in 2010 in ambulante Betreuung begeben. Die Anzahl der Hilfesuchenden hat sich damit seit 2005 mehr als verdreifacht. Spieler an Geldspielautomaten bilden mit 74,3% der Klienten nach wie vor mit Abstand die größte Gruppe. Nach der aktuellsten Prävalenzstudie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist bei 0,51% der bundesdeutschen Bevölkerung (275.000 Personen) ein problematisches Spielverhalten und bei 0,49% (264.000 Personen) ein pathologisches Spielverhalten erkennbar.

Forschungsbefunde widerlegen die immer wiederkehrende (und empirisch nicht belegte) Propaganda der Automatenwirtschaft, die große Anzahl der beratungssuchenden Automatenspieler sei auf die Warnhinweise auf den Frontscheiben der Geldspielautomaten zurückzuführen. Die Spielsüchtigen wurden primär durch Bezugspersonen (48,7%), Medien (29,3%) und Selbsthilfegruppen (18,7%) auf die Beratungsangebote aufmerksam. Kein einziger Klient nannte die Warnhinweise.

Das hohe Suchtpotential der Geldspielautomaten - im Vergleich mit anderen Glücksspielformen - wird nicht nur durch Untersuchungen, die Veranstaltungsmerkmale wie Spieldauer, Gewinnwahrscheinlichkeit, Fast-Gewinne und Verfügbarkeit berücksichtigen, sondern auch durch Bevölkerungsstudien bestätigt. Für Spieler an diesen Geräten besteht - im Vergleich zu Personen, die dieses Spiel nicht spielen - eine um den Faktor 6 erhöhte Wahrscheinlichkeit für die Diagnose eines pathologischen Spielverhaltens im Lebensverlauf.

Durch die Umgehung der gesetzlichen Vorgaben der Spielverordnung ist es der Automatenindustrie gelungen, die gewerblichen Geldspielgeräte zu Glücksspielautomaten aufzurüsten, die Spielanreize zu erhöhen und die Nachfrage zu steigern. Die Anzahl der aufgestellten Geldspielautomaten stieg von 183.000 in 2005 auf 242.500 in 2011, verbunden mit einer deutlichen Zunahme der Spielhallen und einer Steigerung des Bruttospielertrags von 2,350 Mrd. Euro auf 4,140 Mrd. Euro (Zuwachsrate: 76,7%). Die staatlichen Einnahmen aus Glücksspielen sanken dagegen von 4,254 Mrd. Euro in 2005 auf 2,989 Mrd. Euro in 2010.

Das für die Spielverordnung zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat den Korrekturbedarf zwar erkannt, unterbreitet aber bisher nur marginale Änderungsvorschläge einzelner Spielparameter. Erneute Umgehungen der Spielverordnung sind vorprogrammiert, da Merkmalsübertragungen, wie das Spiel auf Punkteebene, das die gesetzlichen Vorgaben aushebelt, zulässig bleiben sollen. Zielführend wären vielmehr substantielle Reduzierungen der Spielanreize (Gewinnaussichten) und Maximalverluste sowie die Unterbindung von Merkmalsübertragungen durch kontinuierliche Speicherlöschung in kurzen Zeitabständen, um dem Sinn und Zweck der Verordnung, den "Spieltrieb" einzudämmen und die Allgemeinheit, Spieler und Jugend zu schützen, gerecht zu werden. Die Grenzwerte für eine risikoarme Teilnahme an Glücksspielen liegen nach kanadischen Bevölkerungsstudien bei 360 bis 720 Euro im Jahr bzw. bei höchstens 1% des familiären Bruttoeinkommens (bei zwei- bis dreimaliger Teilnahme pro Monat).

Eine kohärente und systematische Umsetzung von Maßnahmen des Spielerschutzes erfordert, die Option der Sperre (Selbst- und Fremdsperre) auch für Spieler an Geldspielautomaten vorzuhalten. Vor dem Hintergrund, dass nur rund 18% der Klienten mit glücksspielbezogenen Problemen in den ambulanten Suchtberatungsstellen aus dem Spielbankbereich kommen und gleichzeitig diesbezüglich Ende 2010 insgesamt 20.756 Sperrdatensätze vorlagen, ist mit einer hohen Anzahl von Spielsperren aus dem Bereich der Geldspielautomaten zu rechnen.

Eine weitere Erfolg versprechende präventive Maßnahme besteht in der Unterbindung der Mehrfachbespielung von Geldspielgeräten. Die Mehrfachbespielung ist mit einer Vervielfachung der Einsätze, Gewinne und Verluste verbunden und wird nach den Ergebnissen der Evaluationsstudie zur Spielverordnung als hoher Risikofaktor eingeschätzt. Freiwillige selbstbeschränkende Vereinbarungen der Automatenwirtschaft, die der "Verhinderung des relativ leichten gleichzeitigen Bespielens von mehr als zwei Geldspielgeräten für eine Person" dienen sollen und durch die Aufstellung von Zweier-Gruppen, Mindestabstände von drei Metern, Blumenbänke und Sichtblenden umgesetzt wurden, zeigten nur geringfügige Effekte. Eine Mehrfachnutzung konnte damit nicht verhindert werden.

Bei einem Maximalverlust von 80 Euro pro Stunde und einer Bespielung von vier Geräten gleichzeitig können über eine nicht unübliche Spieldauer von fünf Stunden bereits Verluste in Höhe von 1.600 Euro auflaufen, die zweifelsfrei eine Vermögensgefährdung darstellen. Daher ist eine gesetzliche Vorgabe für das Aufsichtspersonal der Spielhallen zur Unterbindung des gleichzeitigen Spielens an mehreren Geräten ebenso erforderlich wie die Aufnahme von Verstößen in den Katalog der Ordnungswidrigkeiten.




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