NEWSBÜCHERJOURNALEONLINE-SHOP



 

Sie befinden sich hier: NEWS » Aktuelle News Psychologie » News lesen

« zurück

Gesundheit und Haft: Die Mehrheit der Straftäter leidet unter psychischen Störungen

Gesundheit und Haft

50 bis 70 Prozent der Strafgefangenen leidet unter psychischen Problemen, ist jedoch therapeutisch unterversorgt. Prof. Dr. Hans Wolff, Co-Präsident der Schweizer Gefängnisärzte, kritisiert eine Mangelsituation, die Dr. Marc Lehmann und Kollegen in Deutschland gleichfalls sehen und in ihrem Handbuch ´Gesundheit und Haft´ dokumentieren.

Im aktuellen Interview mit ´prison-info´ macht Wolff einerseits gesamtgesellschaftliche Entwicklungen verantwortlich, anderseits sieht er auch Ursachen im Strafvollzug: "Die Inhaftierung kann bestehende psychische Erkrankungen sowohl demaskieren wie auch fördern oder kreieren. Den größten Einfluss auf die Gesundheit der Insassen haben die Haftregime und Tagesabläufe. Ein gutes Haftregime wirkt nicht nur präventiv, es kann auch gewisse bestehende Erkrankungen lindern - insbesondere Angstzustände ...

Wichtig ist, dass die Gefängnisinsassen viel Zeit außerhalb der Zelle verbringen. Und sie sollten sinnvollen Beschäftigungen nachgehen können. In der Schweiz gibt es einige gute Ansätze; doch das System ist grundsätzlich ziemlich träge" - ähnlich wie in Deutschland.

Prof. Dr. Norbert Konrad berichtet in "Gesundheit und Haft´:"Während Anpassungsstörungen in der ambulanten psychiatrischen Versorgung innerhalb des Strafvollzugs dominieren, bilden Psychosen im stationären Bereich den größten Anteil. Schizophren Erkrankte, die im Justizvollzug häufig zugleich an einer Polytoxikomanie sowie einer dissozialen Persönlichkeitsstörung leiden, bereiten oft Behandlungsprobleme aufgrund mangelnder Compliance. Simulation von psychischer Erkrankung, z.B. durch Vortäuschung psychotischer Symptome, tritt selten auf und kann eine Bewältigungsstrategie darstellen, etwa um bessere Haftbedingungen oder die Verschreibung von Medikamenten zum Eigenverbrauch oder Handel zu erreichen

Wenn von unangepassten Patienten körperliche Beschwerden ohne organisches Korrelat vorgebracht werden, wird in der Justizvollzugspraxis zu häufig die Diagnose einer Simulation oder somatoformen Störung gestellt, ohne die differentialdiagnostisch in Betracht kommende affektive Störung zu erwägen. Hinter vollzugsstörendem Verhalten mit Zellenzerstörung kann eine depressive Störung verborgen sein.

Psychiatrische Abteilungen innerhalb des Strafvollzugs sollten sich in erster Linie als eine Art Clearance-Stelle verstehen, die dafür sorgt, das Angemessene geschehen zu lassen, d.h. neben einer Krisenintervention z.B. eine Begutachtung zu veranlassen oder die Verlegung in eine sozialtherapeutische Abteilung des Strafvollzugs ..." .

prison-info: https://www.bj.admin.ch/bj/de/home/sicherheit/smv/prison-info.html  

 

Literatur

Gesundheit und Haft
Handbuch für Justiz, Medizin, Psychologie und Sozialarbeit
Lehmann, Marc; Behrens, Marcus; Drees, Heike (Hrsg.)
Pabst, 612 Seiten, Hardcover

 




alttext    

 

Aktuell

Blogs

Journale