Im Grunde gilt es im Einzelfall zu entscheiden, ob ein Hinwirken auf ein Tateingeständnis nötig oder entbehrlich oder sogar schädlich ist. Dies gilt insbesondere, wenn Leugnen als Schutzfaktor und und nicht als Risikofaktor einzuschätzen ist. "Denn moderne deliktpräventive psychotherapeutische Behandlung richtet sich ausschließlich nach den erhobenen Risiken bzw. der Wahrscheinlichkeit für weitere Straftaten. Sei das Ausmaß der Behandlung nicht dem Risiko angepasst, könne sich die Rückfälligkeit erhöhen anstatt erniedrigen, z.B. durch Intensivbehandlung von Probanden mit niedrigem Rückfallrisiko ..."
Der Autor kennt keine Studie aus den zurückliegenden 20 Jahren, die einen Zusammenhang zwischen Leugnen und höherer Rückfälligkeit gefunden hätte. Hingegen belegen mehrere größere Studien, "dass Leugner häufiger ein niedrigeres statistisches Rückfallrisiko als Geständige haben, insbesondere bei hoher Risikostufe."
Eingehend und relativ befremdet diskutiert Kliesch die Frage: "Warum ist dennoch in der kriminalpräventiven Psychotherapie die Erwartung so weit verbreitet, es müsse ´mehr kommen´ von den Verurteilten - das Bekenntnis zur Tat, die Übernahme von Verantwortung, echte Reue, Einsicht, sog. Delikt-Aufarbeitung, einschließlich dezidierter Erörterung des Tatgeschehens?"
Kliesch sieht das "Leugnen als quantitatives Phänomen und nicht als qualitatives Unterscheidungskriterium. Teilweises oder vollständiges Leugnen ist eher keine Besonderheit, die außerordentlicher Maßnahmen bedürfe. Aus dimensionaler Perspektive ist es im Gegenteil eher der Regelfall in deliktorientierter Therapie, dem man routiniert begegnen darf." In diesem Kontext entwirft der Autor ein dreidimensionales Modell: das Ausmaß, die Motivation/Funktion und Typ/Entwicklungsstufe des Leugnens. Die Analyse der drei Dimensionen kann Anhaltspunkte für die Therapie und die Rückfallprognose liefern.
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