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Flüchtlings-Traumata rechtzeitig erkennen und behandeln: Interkulturelle Kompetenzen fördern - Sprachbarrieren überwinden

Tod, Leid, Qualen: Viele Asylsuchende haben vor und während ihrer Flucht Schlimmes erlebt oder mitangesehen. Mindestens die Hälfte der Kriegs-, Vertreibungs- und Folteropfer leiden an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), Depressionen oder Angstzuständen. Nicht immer ist dies sofort erkennbar, die Folgen traumatischer Erlebnisse können sich vielfältig äußern - als psychische, aber auch als körperliche Erkrankung. Körperliche Beschwerden ohne erkennbare Ursache können Hinweis auf eine PTBS sein, darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin (DGPM) hin.

Beispielhaft zeigt der Fall eines Irakers, der als Kind mit ansehen musste, wie sein Vater erschossen wurde, welche Auswirkungen unbehandelte Traumata haben können. Er kam nach Deutschland und lebte 15 Jahre lang ohne Beschwerden. Dann führten Probleme am Arbeitsplatz dazu, dass sein Trauma reaktiviert wurde. Experten sprechen hier von "Triggern", die ein - eigentlich schon verarbeitet geglaubtes - Trauma erneut aufrufen. Dies können bestimmte Erlebnisse, Wahrnehmungen, aber auch Medienberichte sein. "Zahlreiche Modellprojekte zeigten, dass eine frühzeitige Versorgung von Flüchtlingen kostengünstig im Rahmen der Regelversorgung zu leisten ist", sagt die DGPM-Expertin Professor Dr. Yesim Erim, Leiterin der Abteilung für Psychosomatische und Psychotherapeutische Medizin am Universitätsklinikum Erlangen.

"Wir beobachten in der klinischen Praxis, dass die Folgen eines Traumas sehr unterschiedlich sein können, was Symptome und Zeitabläufe angeht", erklärt Professor Erim. Schmerzen ohne erkennbare Ursache - beispielsweise in Brust oder Magen - können Anzeichen für eine psychische Erkrankung in Folge traumatischer Erlebnisse sein. "Kulturelle Unterschiede und Sprachprobleme führen häufig dazu, dass Mediziner bei einem Patienten einen möglichen traumatischen Ursprung seiner Beschwerden übersehen, gerade auch bei solchen somatoformen Störungen", ergänzt Professor Dr. med. Harald Gündel, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Ulm und Mediensprecher der DGPM. Notwendig seien deshalb mehr Dolmetscher, die Flüchtlinge bei Arztbesuchen begleiten könnten. Es fehle auch an Ärzten mit interkultureller Kompetenz; entsprechende Trainings sollten sowohl im Studium als auch in der Weiterbildung von Ärzten und Psychotherapeuten als Regelcurricula festgelegt werden, forderte die Fachärztin.

Die psychosomatische Medizin hat in den vergangenen Jahren in mehreren Projekten Erfahrungen sammeln können bei der Behandlung von Migranten. Angesichts der großen Zahl von Asylbewerbern verweist Professor Erim darauf, dass auch innerhalb der Regelversorgung wirksame Therapien erprobt worden seien. So bietet das LVR-Klinikum Düsseldorf seit nunmehr fast zehn Jahren Gruppentherapien für traumatisierte Flüchtlinge an; allein 2013 wurden dort rund 200 Betroffene versorgt. Trotz unterschiedlicher kultureller Hintergründe, so das Fazit, bilden in diesen Gruppen vergleichbare Erfahrungen von Verfolgung und Unterdrückung die Basis für eine erfolgreiche Therapie. In mehreren psychosomatischen Fachabteilungen wurden seit den 1990er Jahren zudem interkulturelle Ambulanzen und interkulturelle Sprechstunden eingerichtet.

"Es ist notwendig, dass wir präventiv eingreifen und belasteten Flüchtlinge Angebote machen", sagt DGPM-Expertin Erim. "Andernfalls haben wir es sonst womöglich in einigen Jahren mit einer großen Gruppe traumafolgegestörter Menschen zu tun."
 
www.dgpm.de




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