Dem schlechten Abschneiden der Nationalmannschaft diesen Sommer zum Trotz: Fußball ist und bleibt der wichtigste Sport der Deutschen. Mehr als 7 Millionen Menschen sind in Deutschland Mitglied in einem Fußballverein, ca. 13 Millionen Menschen verfolgen in jeder Saison die Spiele der Bundesliga live im Stadion.
Die Stadien kann man durchaus als gesellschaftliche Resonanzräume bezeichnen. Individuelle und gesellschaftliche Konflikte werden hier ausgetragen, auch in gewalttätigen Auseinandersetzungen. Vor allem die Gruppen der Ultras bzw. Hooligans, die sich als intensivste Unterstützer ihrer Mannschaft sehen, suchen in vielen Fällen die Auseinandersetzung mit Fans bzw. Ultras anderer Vereine – unabhängig vom Verlauf oder Ergebnis eines Fußballspiels.
Als Reaktion auf die immer weiter ansteigende Fangewalt wurden bereits seit den 1980er Jahren sogenannte Fanprojekte entwickelt: Innerhalb dieser inzwischen professionalisierten und durch Bundesländer und Kommunen geförderten Projektarbeit wird Soziale Arbeit geleistet, die sich vor allem die Gewaltprävention auf die Fahnen geschrieben hat. Inzwischen existieren in Deutschland über 60 solcher Fanprojekte, in denen vor allem aufsuchende Sozialarbeit stattfindet.
Diese Arbeit wird immer wichtiger: Zuletzt hat sich wieder einmal gezeigt, dass gewaltbereite Hooligan-Gruppen kein (verborgenes) Randphänomen mehr sind. Nach einem Aufruf einer lokalen Hooligan-Gruppe entwickelte sich Ende August in Chemnitz der Aufsehen erregende und inzwischen viel diskutierte „Gewaltmarsch“ mit rechtsradikalem Hintergrund. Robert Claus (Mitarbeiter der „Kompetenzgruppe Fankulturen und Sport bezogene Soziale Arbeit“) sieht in einem SPIEGEL-Interview die Gründe für die immer noch stark verbreitete Gewaltbereitschaft der Chemnitzer Hooligans auch beim Chemnitzer Fußballverein selbst: „Gerade im Bereich der Prävention hat der Verein in der Vergangenheit zu wenig getan.“
Hier setzt auch die Forderung von Deimel und Kollegen an: Die Soziale Arbeit in Fanprojekten sei wichtiger denn je – deshalb müsse es Mitarbeitern möglich gemacht werden, eine belastbare professionelle Beziehung zu ihrer Klientel herstellen zu können. Eine Kriminalisierung nur aufgrund beruflicher Kontakte in die Szene müsse ausgeschlossen werden, die rechtliche Position der Sozialarbeiter verstärkt werden. Nur so könne erfolgreiche Gewaltprävention innerhalb der Fanszene eingedämmt werden – und damit bestenfalls „Aufmärsche“ wie in Chemnitz verhindert werden.