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Elsbeth Stern: Wieviele geistige Mechanismen sind genetisch vorprogrammiert?

E. Stern und J. Guthke (Hrsg.): Perspektiven der Intelligenzforschung

Wie "frei" sind wir - und wie stark genetisch festgelegt? Diese Frage hat Thilo Sarrazin ungewollt erneut popularisiert. "Wir wissen heute, dass viele geistige Mechanismen, welche wir für die Bewältigung unseres Alltags benötigen, auf relativ spezifischem Niveau im neuronalen System genetisch vorprogrammiert sind," formuliert die Psychologin Prof. Dr. Elsbeth Stern (Zürich).

"In den letzten Jahren mehren sich die Belege, wonach nicht nur unsere Wahrnehmung, sondern auch unser Denken und Problemlösen auf sehr spezifischer Ebene vorprogrammiert ist." Stern geht davon aus, "dass im menschlichen Informationsverarbeitungssystem relativ komplexes angeborenes Wissen verankert ist, welches nur noch an die jeweilige Anforderungssituation angepasst werden muss." Allerdings ist auch erkennbar, "dass es zwischen Menschen genetisch determinierte Abweichungen in der modularen Ausstattung gibt.

So kann man sich Angst und Ekel in vielen Fällen durch angeborenes Wissen erklären:
Obwohl wir in unseren Breitengraden kaum Erfahrung mit gefährlichen Spinnen oder Schlangen gemacht haben, werden viele Menschen beim Anblick dieser Tiere von phobischen Zuständen erfasst. Man kann davon ausgehen, dass diese Angst genetisch vorprogrammiert ist. Sie ist ein Überbleibsel aus einer Zeit, in der unsere Vorfahren noch ernsthaft durch Schlangen und Spinnen bedroht waren und ihr Überleben nur gesichert war, wenn sie es nicht auf die erste negative Erfahrung ankommen ließen. Mit der Ausrottung gefährlicher Tiere in unseren Breitengraden brachte die genetisch vorprogrammierte Angst keinen Überlebensvorteil mehr, und die entsprechenden Gene mutierten bei einigen Personen, ohne dass sich dies nachteilig auf deren Fortpflanzung auswirkte ..."

Angeborenes, "modularisiertes Wissen ist beim Neugeborenen in der kognitiven Architektur auf impliziter Ebene verfügbar, das heißt, es steuert Handlungen. Durch wiederholtes Handeln werden die Module auf höhere Handlungsebenen umgeschrieben, indem Informationen, die in unterschiedlichen perzeptuellen Systemen (visuell, akustisch, taktil usw.) verfügbar sind, miteinander zu neuen Einheiten kombiniert werden. Die höchste Stufe der Explikation ist erreicht, wenn Sprache hinzukommt, d.h. wenn bestimmte Situationen und Ereignisse auch verbalisierbar sind..."

Die Beziehungen zwischen genetisch programmierten Ressourcen und Umweltangeboten sind also mehrdimensional. "In Kulturkreisen, in denen Kindern weitgehend alle Lerngelegenheiten offen stehen, können mindestens 50 Prozent der Varianz in der Intelligenzleistung durch genetische Unterschiede erklärt werden", formuliert Elsbeth Stern.

Allerdings: Bei der Ausbildung und Entwicklung von Intelligenz interagieren verschiedenste Gene. Daher zeigen Eltern und Kinder "nur eine mittelhohe Übereinstimmung im Intelligenzquotienten. Unterdurchschnittlich intelligente Eltern können überdurchschnittlich intelligente Kinder haben - und umgekehrt."




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