Beispiel Reaktanz: Ein Dienstleister unterbreitet ein Angebot. Offeriert er es im Superlativ als annähernd alternativlos, fühlt sich der Kunde u.U. in seinen Wahlmöglichkeiten eingeschränkt und kann mit einer Ablehnung reagieren. Der Anbieter könnte dies mit einer gewissen Zurückhaltung bzw. mit Understatement vermeiden - und indem er alternative Entscheidungen offen lässt. Oder: "Strikte Arbeits- bzw. Dienstanweisungen können als freiheitseingrenzende Führungsformen erlebt werden und dadurch die Aktivitäten der Betroffenen auf das Umgehen der Vorgaben lenken," beschreibt Hacker - auch aus eigener Erfahrung in der DDR.
"Die Reaktanz- bzw. Widerstandsstärke ist abhängig von
- dem Ausmaß der Einschränkungen von Tätigkeitsspielräumen,
- der subjektiven Bedeutung der jeweiligen Einschränkung,
- der subjektiven Bedeutung selbstbestimmten Verhaltens generell,
- der wahrgenommenen eigenen Kompetenz sowie
- der wahrgenommenen Nähe von Alternativen gegenüber der aufgenötigten Verhaltens- oder Meinungsversion"
Anderseits lässt sich Reaktanz durchaus nutzen: "Dieses Vorgehen knüpft an eine mögliche Widerstandsform gegen das Einschränken von Alternativen an, nämlich an das Phänomen der Erhöhung des Anreizwerts von Zielen durch Schwierigkeiten bei der Realisierung. Im Handel ist dies z.B. durch hohe Preise, exklusive Vertriebswege oder Regularien, die ein besonderes Ansehen versprechen (z.B. Senatorlounge der Lufthansa), möglich. Auch künstliche Verknappungen von Angeboten gehören in diese Gruppe. Ihnen ist gemeinsam, dass der freie Zugang zu Waren oder Dienstleistungen erschwert wird, dadurch das Erleben der Einschränkungen von Freiheiten - und damit Reaktanz entsteht. Damit kann ein Produkt oder ein Leistungsangebot als noch attraktiver erscheinen ..."
Winfried Hacker bietet das umfassende Szenario dialogisch-interaktiver Erwerbsarbeit - ihre Widersprüchlichkeit immer im Blick, z.B.:
1. "Der Kernwiderspruch besteht darin, dass sie ein Tauschprozess von sachlichen und interaktionsbezogenen Leistungen einschließlich des Emotionsmanagements gegen Entgelt ist, aber oft interpretiert wird im Sinne solidarischer Hilfe.
2. In der Humandienstleistung soll gleichzeitig Empathie gezeigt und erlebbar gemacht werden und emotionale Distanzierungsfähigkeit erhalten bleiben (detouched concern).
3. Dialogisch-interaktive Erwerbsarbeit ist wegen der begrenzten Vorhersehbarkeit nur begrenzt planbar, unterliegt jedoch Zeitfestlegungen, die eine Planung erfordern, um gewinnorientierte Erwerbsarbeit realisieren zu können."
Eine bewusste Reflexion der unauflösbaren Widersprüche bewahrt vor illusionärer Sozialromantik und bietet die Möglichkeit, Stress abzubauen.
Winfried Hacker: Arbeitsgegenstand Mensch -Psychologie dialogisch-interaktiver Erwerbsarbeit.
Pabst, 340 Seiten, Paperback ISBN 978-3-89967-560-3