Das in Deutschland herrschende Verbot, Casino-, Rubbellos- und Pokerspiele im Internet zu veranstalten oder zu vermitteln, wurde bereits im Herbst 2017 durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt (BVerwG 8 C 18.16). „Dieses Urteil wird bis heute von ziemlich allen Akteuren, die zugleich Profiteure sind, weitgehend ignoriert. Dazu zählen beispielsweise Onlinecasinoanbieter, Finanzdienstleister aber auch Fußballclubs und Teile der Medien“, betont Ilona
Füchtenschnieder.
„Erst seit kurzem kommt öffentlich sichtbar Bewegung in die Angelegenheit: Glücksspielaufsichten und Medienanstalten leiten ordnungsbehördliche Verfahren gegen Werbeauftritte von Branchengrößen ein. Auch Betroffene wehren sich zunehmend und buchen in Onlinecasinos verspielte Beträge eigenhändig zurück (Chargeback) oder wenden sich an Kanzleien, die Rückforderungen an Banken und Kreditkartenunternehmen stellen, die zum Teil 13 Monate oder gar
drei Jahre zurückreichen. Erste Urteile (AG München, AG Leverkusen) geben den Betroffenen Recht, viele weitere Verfahren sind noch anhängig. Aus der Perspektive der Suchtprävention stellt dies eine äußerst positive Entwicklung dar“, so die Glücksspielexpertin weiter. Im Gegensatz dazu stehen Forderungen einiger Bundesländer (Schleswig Holstein, Hessen), die sich trotz der komfortablen Rechtslage für eine Öffnung des Onlinecasinomarktes aussprechen.
„Aus suchtfachlicher Sicht sollte die bestehende gute juristische Basis nicht leichtfertig verspielt werden. Vielmehr gilt es nun, darauf aufbauend das Internetverbot für Casino- und Pokerspiele wirksam umzusetzen - zum Beispiel durch Payment Blocking und Netzsperren - sowie die ausufernde Werbung für diese illegalen Angebote im Fernsehen und im Internet vollständig zu unterbinden“, fordert die Vorsitzende des Fachverbands Glücksspielsucht.
Auch ein komplettes Werbeverbot – inklusive Dachmarkenwerbung – für Glücksspiele (außer am Point of Sale) sollte diskutiert werden. Die bisherigen Einschränkungen werden weder von den Glücksspielanbietern noch von großen Teilen der Medienbranche eingehalten. Für Verbraucherinnen
und Verbraucher ist es derzeit nicht ersichtlich, dass es sich bei den beworbenen Glücksspielen um illegale Angebote handelt. Aktuell sollte von einer Öffnung des Onlinecasinomarktes abgesehen werden. Die Glücksspielaufsicht ist der Kontrolle dieses Segmentes derzeit nicht gewachsen. Die Erfahrungen, die mit der ab 2020 geplanten Zulassung von Sportwetten gemacht werden, sollten abgewartet und sorgfältig ausgewertet werden.
Forderungen des Fachverbands Glücksspielsucht e.V. (FAGS):
- Aufstockung der Glücksspielaufsichten (personell und technisch)
- Verbot der Glücksspielwerbung inklusive Dachmarken (außer am Point of Sale)
- Förderung einer Anlaufstelle für Glücksspielerinnen und -spieler, die Probleme mit Glücksspielanbietern haben (Ombuds- und Clearingstelle)
- Entwicklung einer Filtersoftware für PC und Smartphone zur gezielten Blockade des Zugriffs auf Onlineglücksspielseiten
- Freischaltung von Kreditkarten o.ä. für Glücksspiele (kein Automatismus), besser nur ein einziges von der Glücksspielaufsicht zugelassenes Zahlungssystem für alle Glücksspielanbieter, das auch anbieterübergreifende Limitierungen erlaubt
- Ausbau der Suchtprävention und -hilfe und der Schuldnerberatungen
- Abgabe der Glücksspielanbieter zur Finanzierung der genannten Angebote
Pressemeldung der DHS (Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V.)
Literatur zum Thema:
Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (Hrsg.): Jahrbuch Sucht 2019. Pabst, 264 Seiten. Hardcover ISBN 978-3-95853-483-4. eBook ISBN 978-3-95853-484-1
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Ilona Füchtenschnieder, Klaus Hurrelmann (Hrsg.): Glücksspiel in Europa. Pabst, 144 Seiten, ISBN 978-3-87581-214-5
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Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, Ausgabe 1/2016. Hrsg. von Bernd Sobottka und Holger Feindel. Themenheft zu: Ziele und Methoden der Prävention und Behandlung des Pathologischen Glücksspielens und des Pathologischen PC-/Internet-Gebrauchs.