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Deprimierende Klinikarchitektur erschwert Heilung

Grau, kühl, steril - es gibt wohligere Orte als ein Krankenhaus. Glaubt man Experten, ist die wenig einladende Atmosphäre vieler Kliniken aber nicht nur unangenehm, sondern kann die Genesung von Patienten bremsen. Eine Wissenschaftlerin der Universität Koblenz hat ein Schema entwickelt, mit dem die Architektur von Krankenhäusern beurteilt werden kann. Sie sagt: 60 Prozent der Kliniken haben Nachholbedarf.

Rotraut Walden zählt zu der kleinen Gruppe deutscher Architekturpsychologen. Etwa 20 Forscher widmen sich Walden zufolge hierzulande diesem Spezialgebiet der Psychologie. Ihr Anliegen: Die Wirkung von Bauwerken auf das Erleben und das Verhalten von Menschen zu untersuchen. "Es gibt einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Architektur eines Gebäudes und der Gesundheit des Menschen", sagt Walden und verweist auf das sogenannte Sick-Building-Syndrom.

Bei diesem noch wenig erforschten Phänomen leiden Betroffene nach längerem Aufenthalt in einem Gebäude unter tränenden Augen, gereizten Schleimhäuten oder Juckreiz. Sobald sie den Ort verlassen, klingen die Symptome ab.

Krankenhäuser erforscht die Privatdozentin der Universität Koblenz, die auch Bürogebäude und Kindertagesstätten unter die Lupe nimmt, seit fast 15 Jahren. Über die Jahre hat sie ein detailliertes Schema entwickelt, das Klinikgebäude nach vier Kriterien bewertet: So wird untersucht, inwiefern die Architektur eines Krankenhauses funktional, ästhetisch, sozial und ökologisch ist. Dabei wird die Außenanlage einer Klinik ebenso durchleuchtet wie die einzelnen Stationen und die Patientenzimmer.

Waldens Anforderungen an eine Klinik sind dabei hoch. So sollte der Eingangsbereich aus ihrer Sicht einer Hotelrezeption gleichen: "Auch das Krankenhaus sollte sich als Gästehaus, nicht als Abfertigungshaus verstehen", sagt sie, betont aber gleichzeitig: "Man kann mit kleinen Mitteln viel erreichen." Dabei geht es der Expertin keinesfalls um Luxus, sondern um eine "Atmosphäre des Willkommens".

Patienten wollen Kontrolle behalten

Walden zufolge brauchen Menschen für ihr Wohlbefinden die Möglichkeit, ihre Umwelt beeinflussen zu können. Der gängige Krankenhausalltag dagegen führe bei vielen Patienten zu einem Gefühl der Hilflosigkeit: "Patienten fühlen sich wie Untergebene", sagt sie. In ihren Augen keine gute Voraussetzung, um schnell gesund zu werden.

Mit Kleinigkeiten könne aber Abhilfe geschaffen werden, betont die Expertin. Bereits das Aufstellen eigener Bilder oder das selbstständige Bedienen von Heizung und Licht wirke sich positiv aus. Weiße Wände haben im Krankenhaus der Zukunft dagegen nichts zu suchen. Die Expertin plädiert für mediterrane Farben.

Egal, ob Frauen-, Kinderklinik oder Chirurgie: Walden ist überzeugt, dass jede Abteilung einer Klinik, inklusive der Intensivstation, verschönert werden kann. "Wenn der Raum voller Geräte ist, kann man doch die Decke dekorieren", schlägt sie vor und fügt hinzu: "Ich nehme an, dass bei Berücksichtigung gestalterischer Mittel sogar die Gabe von Schmerzmitteln reduziert werden."

Daten über den ökonomischen Nutzen architektonischer Veränderungen an Krankenhäusern fehlen bislang. Walden ist sich aber sicher, dass durch Umbau- und Verschönerungsmaßnahmen nicht nur Arbeitsabläufe optimiert, sondern auch die Motivation und Leistung des Personals gesteigert und die Gesundung der Patienten beschleunigt werden kann.

Schon die Wahl des Grundstücks ist entscheidend

Wie viel beim Neu- oder Umbau eines Krankenhauses aus architekturpsychologischer Sicht zu beachten ist, zeigt sich, fragt man Walden nach der idealen Klinik. Schon bei der Wahl des Grundstücks prallen kaum zu vereinbarende Anforderungen aufeinander: So sollten Autobahn und Bahnhof gut erreichbar sein, Lärmbelästigung aber vermieden werden.

Im Krankenhaus selbst legt Walden größten Wert auf eine verständliche Ausschilderung, damit im Notfall nicht lebenswichtige Zeit verloren geht.

Bislang fristen die Architekturpsychologen im Gesundheitswesen ein Schattendasein. Dass sich Mensch und Gebäude wechselseitig beeinflussen, davon war dagegen 1943 schon Staatsmann Winston Churchill überzeugt. "Erst formen wir unsere Gebäude, dann formen diese uns", soll er 1943 gesagt haben.




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