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Behandlung von Folteropfern: Psychotherapeuten werden häufig traumatisiert

PsychotherapeutInnen und SozialarbeiterInnen erleben in der Arbeit mit traumatisierten Flüchtlingen riskante Verletzungen. Eine niederländische Studie beobachtete, dass etwa 20 Prozent der Traumatherapeuten traumatisiert werden. Johanna Mohr und Axel Kobelt (Universität Bremen) konkretisierten die Problematik in qualitativen Interviews - und veröffentlichten ihre Untersuchung in "Praxis - Klinische Verhaltensmedizin & Rehabilitation" 104 (Themenschwerpunkt: "Migration in der Medizinischen Rehabilitation").

 

Die Konfrontation mit Unvorstellbarem "greift das relative Kohärenzgefühl von Therapeuten an.
Sie können in der Zerstörung keinen Sinn erkennen, und die Grausamkeit übersteigt ihre kognitive Möglichkeit des Nachvollziehens. Je unstrukturierter und ungefilterter die Klienten ihre traumatischen Erlebnisse mit dem Therapeuten teilen, desto belastender wird die sekundäre Traumaexposition empfunden." Häufig versuchen Therapeuten, die Belastung zu begrenzen: Sie setzen das Schreckliche frühzeitig voraus und werden damit weniger überrascht. Sie versuchen, das Gespräch mit dem Klienten zu strukturieren. Und sie suchen entlastende Gespräche mit KollegInnen.

 

Häufig fehlt den Klienten ein gesicherter Aufenthaltsstatus, um den sich der Therapeut vergebens bemüht. Er erlebt damit entscheidende Misserfolge, und ihm fehlen für die Therapie Erfolgsperspektiven. "Erschwerend kommt hinzu, dass Therapeuten häufig ihren Klienten deren schlechte Aussichten auf Asyl oder Familiennachzug übermitteln müssen." Die Rolle als machtloser Hiobsbotschafter kann den Therapeuten zermürben - oder aber auch zu einem problemzentrierten politisch-gesellschaftlichen Engagement motivieren. Die häufig ungesicherte Finanzierung der Traumatherapie von Migranten gehört ebenso wie das fremdenfeindliche gesellschaftliche Umfeld in diesen Kontext.

 

Gelegentlich werden allerdings in der Therapie auch die Brücken zwischen Therapeut und Klient fragil: "Da Klienten eine Anpassung an westliche Normen verweigern, entsteht u.U. ein Konflikt innerhalb des Behandlungsbündnisses. Weiter deuten Ergebnisse darauf hin, dass Behandler sich unsicher sind, in welchem Ausmaß sie ihre Klienten mit ihren eigenen Vorstellungen und Werten konfrontieren können."

 

Das Themenheft "Migration in der Medizinischen Rehabilitation" umfasst acht Beiträge, die nicht nur zentrale Herausforderungen aufreißen, sondern auch wertvolle Lösungsmöglichkeiten zeigen - z.B. den erfolgreichen Einsatz von TherapeutInnen aus dem Migrantenmilieu.

 

Literatur zum Thema

Johanna Mohr, Axel Kobelt: Belastungen und Bewältigungsstrategien von Psychotherapeuten in der Arbeit mit traumatisierten Geflüchteten und Folteropfern.

In: Heiner Vogel, Nandi Sarai Altherr (Hrsg.) Migration in der Medizinischen Rehabilitation (Praxis Klinische Verhaltensmedizin & Rehabilitation 104)

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Jan Ilhan Kizilhan: Psychoedukation bei Traumastörungen - Manual für die Gruppenarbeit mit MigrantInnen und Geflüchteten. Pabst, 180 Seiten plus CD (Arbeitsblätter). Paperback ISBN 978-3-95853-407-0, eBook ISBN 978-3-95853-408-7  

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