"Bereits die physische Ausstattung disponiert die Frau für eine "basale" Ängstlichkeit, auf deren Boden pathologische Entwicklungen entstehen können:
Die bescheidenere Muskelkraft, der geringere Testosteronspiegel, das kleinere Aggressionspotential lösen oft ein anhaltendes latentes Gefühl der Bedrohung aus. Traumatisierungen können die Tendenz noch wesentlich verstärken. Besonders in der Lebensphase, in der die Frau dem Schutz der Herkunftsfamilie entwachsen ist ..., dann aber auch in der Schwangerschaft bzw. wenn kleine Kinder ihrer Obhut anvertraut sind und schließlich, wenn sie im Alter ihren Partner verloren hat, erlebt die Frau ihre körperliche Verletzlichkeit intensiv. Dem entsprechen das durchschnittliche Erstmanifestationsalter bei Angststörungen von 24 bis 28 Jahren sowie deren Häufung in der Schwangerschaft," berichtet Vogelgesang.
Die ausgeprägtere Schmerzsensitivität zählt zu den oft verkannten auslösenden Momenten - und: "Eine höhere psychovegetative Labilität kann bei Frauen ein schnelleres Anspringen der sympathikotonen bzw. vagotonen Reflexe bedingen und von hier in einem Circulus vitiosus zu einer Initiierung und Verstärkung von Angstsymptomen führen. So kann zum Beispiel eine hypoton bedingte Kreislaufattacke zum Kristallisationspunkt für eine Angstentwicklung werden ..."
Zu den psychosozialen Spezifitäten der Frau zählt die Ärztin und Psychotherapeutin weiter eine häufig "höhere Normorientierung" und damit verbundene "Furcht vor Strafe". Auch der ausgeprägtere "Hang zur Selbstbeobachtung" kann den "Teufelskreis der Angst initiieren oder aufrecht erhalten."
"Eine eher aus dem tiefenpsychologischen Bereich stammende Hypothese sieht in den phobischen ´Fesseln´der Angststörungen auch einen Schutz vor der eigenen Begierde, aus der Enge der weiblichen Existenz auszubrechen und den eventuell Unheil bringenden Verlockungen der Freiheit nachzugehen ..."
Literatur:
Psychotherapie für Frauen
Ein Lehrbuch für weibliche und männliche Psychotherapeuten
Vogelgesang, M.