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Angst durch Krieg, Gewalt und Folter: Flüchtlinge brauchen bessere psychosomatische Behandlung

Rund 360 000 Flüchtlinge leben derzeit in Deutschland. Mindestens ein Drittel davon leidet unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), ein Drittel unter Depressionen. Viele von ihnen erlebten Krieg, Gewalt und massive Menschenrechtsverletzungen in ihrem Heimatland. Doch auch die Bedingungen im Aufnahmeland haben unmittelbare Folgen für die psychische Gesundheit der Flüchtlinge, das belegen aktuelle Studien. Welche therapeutische Unterstützung Flüchtlinge in Deutschland benötigen, diskutieren Experten während des Deutschen Kongresses für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Berlin.

Flüchtlinge, die in ihrer Heimat Verfolgung und Folter ertragen mussten, politischer Gewalt zum Opfer fielen, die schwere Menschenrechtsverletzungen erlebt haben und infolgedessen körperlich erkrankt sind, leiden häufig unter einer PTBS. Sie haben Angstzustände, fühlen sich hilflos und können das Erlebte nicht verarbeiten. Die Betroffenen erscheinen oft teilnahmslos und gleichgültig, können aber auch aggressiv sein. "Wenn diese körperlichen und psychischen Leiden im Aufnahmeland nicht zeitnah und angemessen behandelt werden, besteht die Gefahr einer Chronifizierung - also einer dauerhaften psychischen Störung", warnt Professor Dr. med. Johannes Kruse, Direktor der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie an der Universität Marburg und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und ärztliche Psychotherapie (DGPM).

Eine Depression oder PTBS erschwere eine mögliche Heimkehr in das Herkunftsland, verhindere gleichzeitig aber auch eine gelungene Integration im Aufnahmeland, so Kruse. "Die Traumata sind eine große Last im Leben dieser Menschen, die entwurzelt, fremd und alles andere als freiwillig bei uns ankommen". Es fange schon mit der Sprachbarriere an, die vor allem auch eine Therapie erschwere. Hinzu kommen große kulturelle Unterschiede. Beides erfordert eigens geschulte Therapeuten und Übersetzer. "Zusätzlich sind Verständnis, Einfühlungsvermögen und Wissen über Gewalt- und Kriegstraumata gefragt. Das können nur fachübergreifende Teams leisten, zumal häufig körperliche Leiden und Verletzungen bei Flüchtlingen hinzukommen und mitbehandelt werden müssen", erklärt Kruse.

Mittlerweile beweist eine Reihe von Studien, dass Psychotherapie die Symptome der PTBS wirksam reduziert. Wichtig sei es dafür jedoch, so Kruse, auch Flüchtlingen mit unsicherem Aufenthaltsstatus einen sicheren Raum zu schaffen - beispielsweise durch feste Bezugspersonen und angemessene Versorgung und Unterkunft. Nur dann könne eine traumaspezifische Psychotherapie Erfolg haben. "In Deutschland fehlen jedoch bisher Strukturen, die eine angemessene Versorgung für die Flüchtlinge ermöglichen", ergänzt der Präsident des Deutschen Kongresses für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Professor Dr. med. Stephan Zipfel. Ein mögliches Modell wäre die Kooperation von Psychosomatischen Institutsambulanzen, niedergelassenen Experten aus Schwerpunktpraxen mit psychosozialen Behandlungszentren für Flüchtlinge und Folteropfer.

Literatur zum Thema:
Das Ende der Geborgenheit? Die Bedeutung von traumatischen Erfahrungen in verschiedenen Lebens- und Ereignisbereichen: Epidemiologie, Prävention, Behandlungskonzepte und klinische Erfahrungen
Zielke, Manfred; Meermann, Rolf; Hackhausen, Winfried (Hrsg.)




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