"Ob jung oder alt, das Bildungsniveau spielt immer eine große Rolle", sagt Psychologin Dr. Jule Specht, die die Studie in Münster federführend durchführte. Ursache dafür sei unter anderem, dass Menschen mit unterschiedlichem Bildungshintergrund auch ganz objektiv unterschiedlich viel Kontrolle über ihr Leben, zum Beispiel durch einen anderen Grad an Selbstbestimmung im Beruf, haben. Die Studie wurde gerade in der Fachzeitschrift "Developmental Psychology" veröffentlicht.
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass es offensichtlich ausschlaggebend ist, ob die Befragten zum Beispiel über einen Haupt- oder Realschulabschluss verfügen oder etwa Abitur haben. Davon hängt es mit ab, wie sehr sie davon überzeugt sind, alles selbst in der Hand zu haben. "Hinzu kommt: Selbst im Alter, wo man meinen könnte, die Kontrollüberzeugung hängt eher vom Thema Gesundheit oder Krankheit ab, ist die Bildung und ein Stück weit auch die Höhe der Rente ausschlaggebend für diese Überzeugung", berichtet die Psychologin, die mittlerweile an die Universität Leipzig wechselte.
Nach der Studie haben jüngere Menschen in der Lebensphase, wo ihnen vieles noch offen steht, vielfach eine höhere Kontrollüberzeugung. In der Auswertung ließ sich das bei Leuten im Alter zwischen 20 und 40 feststellen. In späteren Jahren sinke diese Überzeugung, möglicherweise weil sich dann die beruflichen Einflussmöglichkeiten verringerten. Noch später, also zum Lebensabend hin zwischen 60 und 70 Jahren, geht dann den Ergebnissen zufolge die individuell wahrgenommene Kontrollüberzeugung erstaunlicherweise wieder hoch.
"Das ist insofern verwunderlich, weil ja die tatsächliche Kontrollierbarkeit im höheren Lebensalter wegen einer höheren Erkrankungsgefahr abnimmt. Wir haben aber herausgefunden, dass ältere Menschen dennoch eine überraschend hohe Kontrollüberzeugung haben."
Die Studie der Psychologen basiert auf Daten des "Sozio-oekonomischen Panels" (SOEP) des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (Berlin), eine der ältesten und größten Längsschnittstudien privater Haushalte. Für das SOEP werden regelmäßig mehr als 20.000 Menschen zu Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung und Gesundheit befragt. Weil es immer dieselben Befragten sind, können nicht nur langfristige gesellschaftliche Trends, sondern auch die gruppenspezifischen Lebensläufe analysiert werden.