Grundsätzlich teilt die Autorin die Meinung, "dass der Mensch mit seinen Grundfunktionen auf das Tempo ausgerichtet ist, mit dem er sich aus eigener Kraft fortbewegen kann. Unsere Wahrnehmung, unsere Verarbeitung von Reizen durch das Gehirn, die Motorik, die Kommunikation sind durch die Isolation im eigenen Auto einerseits und die ´unmenschliche´ Geschwindigkeit anderseits überfordert. Genau darauf beruhen die allermeisten Konflikte des modernen Straßenverkehrs" - ob mit oder ohne psychoaktive Substanzen.
Frauen fahren viel seltener unter Alkoholeinfluss als Männer. Das Verhältnis beträgt etwa eins zu acht. Angelika Schildmeier ließ junge Verkehrssünder in einem Aufbauseminar Erklärungen dafür notieren. Die Ergebnisse, orthographisch bereinigt, spiegeln einen bescheidenen Realitätsbezug wider:
- meist keinen Führerschein
- vom Freund nicht erlaubt zu trinken
- sind auch zufrieden, wenn sie ruhig in der Ecke sitzen
- andere Erziehung
- achten mehr auf gepflegtes Äußeres und Inneres
- vertragen keinen Alkohol
- machen sich mehr Gedanken um Dinge, die passieren können, als um Dinge, die wirklich passieren
- werden von der Polizei weniger angehalten
- stolz, würden es nicht verkraften, betrunken durch die Gegend zu kriechen.
Angelika Schildmeier schildert alltägliche wie kuriose Trink- und Fahrmotive. Seltenere und "modernere" Probleme überfordern auch die erfahrene Psychologin: "In einem Aufbauseminar für Fahranfänger hatte ich einen jungen Mann, der mit Cannabis aufgefallen war. Jahrelang hatte er täglich Marihuana geraucht. Bei einer Routinekontrolle war eine gringe Menge des Wirkstoffs THC gefunden worden, wie sie bei Gewohnheitskonsumenten der Droge auch dann nachweisbar ist, wenn der Konsum viele Stunden zurückliegt und der Betreffende keinerlei Wirkung empfindet.
Der junge Mann war ein anstrengender Teilnehmer: Er produzierte fortwährend originelle Ideen oder stellte Fragen, die mit dem augenblicklichen Thema nichts zu tun hatten. Er musste stündlich - außer in den Pausen - auf die Toilette, kritzelte in seinem Heft, knipste seinen Kugelschreiber an und aus, gerierte sich als Zappelphilipp. Und richtig: Als es um Motive zum Alkohol- und Drogenkonsum ging, erwähnte ich die Selbstmedikation und nannte als Beispiel Cannabis bei Menschen mit ADHS. ´Ja,´ rief der junge Mann fröhlich. ´Stimmt, wenn ich gekifft hatte, war ich immer ganz ruhig ...´"
Vase und Bier – Geschichten erzählen in der psycho-edukativen Arbeit mit Erwachsenen am Beispiel der Verkehrspsychologie
Schildmeier, A.