Vera Luif
Editorial
Michael Frei, Rebecca Melliger, Lea Richter & Dragica Stojkovic
Tagungsbericht
Psychoanalyse in der Forschung
Konzeptuelle Beiträge zur psychoanalytischen Forschung
Peter Schneider
Psychoanalyse und Wissenschaftsforschung
Zusammenfassung
Stephan Hau
Traum-Spiel
Zusammenfassung
Simone Mosch
Können Honigbienen wünschen?
Zusammenfassung
Achim Stephan
Emotionen und existenzielle Gefühle
Zusammenfassung
Brigitte Boothe, Simone Mosch & Georg Schönbächler
"
bewege ich doch die Unterwelt" - Zur Aktualität der Psychoanalyse des Wunsches
Zusammenfassung
H. Andrés Sánchez Guerrero
Affektive Intentionalität, die fundamentale Begründbarkeit unserer Emotionen und die Unbeschreibbarkeit des depressiven Erlebens
Zusammenfassung
Erzählanalyse, Gesprächsanalyse, Inhaltsanalyse
David Lätsch & Michael Bamberg
Skizzen zu einer psychologischen Analyse des Erzählens zwischen interaktiver Pragmatik und intrapsychischer Regulation
Zusammenfassung
Marc Luder
Erzählanalyse und Konstruktionsgrammatik
Zusammenfassung
Lina Arboleda & Vania Zschokke
Sprachgeschehen struktureller Störungen. Narrative und interaktive Beziehungsgestaltung bei Patientinnen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung
Zusammenfassung
Geneviève Grimm-Montel & Thomas Seeholzer
Autobiografisches Erzählen als Ressource zur Bewältigung kritischer Lebensereignisse
Zusammenfassung
Valérie Boucsein, Hanspeter Mathys & Dragica Stojkovic
"Was führt Sie zu uns?" - ein Plädoyer für die Erfassung des Anliegens von Ratsuchenden
Zusammenfassung
Lisa Schäfer-Fauth, Joachim Küchenhoff, Martin Haug, Gabriele Lucius-Hoene & Daniel Sollberger
"Mit diesem Gesicht
" - Stigmatisierung und face-work in der Identitätsarbeit gesichtschirurgischer Patientinnen und Patienten
Zusammenfassung
Michael Frei, Konrad Michel & Ladislav Valach
Humorvolle Taktlosigkeit, Kreditierung interaktiv: Ein gesprächsanalytischer Werkstattbericht
Zusammenfassung
Marius Neukom & Tamara Lewin
Die Verarbeitung von Lungentransplantationen aus psychodynamischer Perspektive
Zusammenfassung
Psychotherapieforschung im klinischen Kontext
Stephan Hau
Die Kluft zwischen kontrollierter Forschung und klinischer Praxis in der Psychotherapie. Ein Blick in den Abgrund
Zusammenfassung
Svenja Taubner
Erklären Mentalisierungsfähigkeiten den Zusammenhang zwischen traumatischen Erfahrungen und aggressivem Verhalten in der Adoleszenz?
Susanne Hörz
Diagnostik und Veränderung der Persönlichkeitsstruktur bei Borderline-Persönlichkeitsstörung
Zusammenfassung
Klinische Praxis der Psychoanalyse
Gerhard Dammann
Grundprinzipien der psychoanalytisch-orientierten stationären Behandlung von Patienten mit schweren Persönlichkeitsstörungen
Zusammenfassung
Antje Frackenpohl & Ulrich Streeck
Beziehungen im Brennpunkt - Möglichkeiten stationärer psychodynamisch orientierter Behandlung von Patienten mit schweren Entwicklungsbeeinträchtigungen der Persönlichkeit
Zusammenfassung
Manfred Cierpka
Die Beziehungsepisode als Zugang zur Psychodynamik
Zusammenfassung
Rudolf Lachauer
Fokussieren bei Behandlungskrisen
Zusammenfassung
Mario Erdheim, Carmelo Campanello & Marc Stoll
Das Verhältnis zwischen Kindheit und Adoleszenz - zum Konzept der Adoleszenz als zweite Entwicklungschance
Zusammenfassung
Erika Toman
Fallbeispiel Bulimie im Kontext psychodynamischer Denkkonzepte
Zusammenfassung
Horst Kächele
Nachwort: Wem gehört die Psychoanalyse?
Psychoanalyse und Wissenschaftsforschung
Peter Schneider
Zusammenfassung: Die Frage, ob sie eine Wissenschaft sei und wenn ja, was für eine, begleitet die Psychoanalyse nahezu vom Anfang ihrer Geschichte an. In der Tradition der Wissenschaftsforschung ("science of science") möchte ich die normative durch eine affirmative Perspektive konterkarieren. Meine Frage lautet daher nicht: Ist die Psychoanalyse eine richtige Wissenschaft und welche Form der Rationalität (hermeneutische oder naturwissenschaftliche) zeichnet sie aus und legitimiert sie?, sondern: Was können wir über die spezifische Weise der Psychoanalyse, Wissen zu erzeugen, in Erfahrung bringen, wenn wir sie - in der Art ethnologisch teilnehmender Beobachtung - zugleich von innen als auch von außen betrachten?
Schlüsselbegriffe: Psychoanalyse, Erkenntnisgegenstand, Erkenntnistheorie, Wissenschaftsforschung, Wissenschaftsgeschichte, Falsifikationismus, wissenschaftliche Methoden, Ethnopsychoanalyse, Paradigmenwechsel, Denkstile, Sozialwissenschaften, Unbewusstes, Widerstand
PD Dr. phil. Peter Schneider
ps@peterschneider.info
Traum-Spiel
Stephan Hau
Zusammenfassung: Die meisten Traumtheorien sehen den Traum in einem funktionalen Zusammenhang. Träumen ist jedoch als kreativer Prozess auch mit dem Spielen vergleichbar, vom kritischen Wachbewusstsein entkoppelt. Im Spiel wie im Traum finden sich Spannungsverläufe, mit dem Ziel der Spannungsreduktion. Das nächtliche Traum-Spiel bedarf eines festen Rahmens, hat einen abgrenzbaren zeitlichen Verlauf mit festen Regeln. Es wird davon ausgegangen, dass zu dieser spielerischen Dimension des Träumens die funktionale Dimension des Träumens (sekundär) hinzukommt. Ohne die spielerische Grundaktivität und das Bereitstellen der symbolischen Simulation von Erleben und Erinnertem, könnte der Traum seine funktionalen Aufgaben nicht erfüllen.
Schlüsselwörter: Traum, Träumen, Spiel, psychische Struktur, Kreativität
Prof. Dr. Stephan Hau
stephan.hau@psychology.su.se
Können Honigbienen wünschen?
Simone Mosch
Zusammenfassung: Die Suche nach den neuronalen Substraten des Wünschens ist besonders unter dem evolutionsbiologischen Blickwinkel aufschlussreich. Vorgestellt und diskutiert wird die phylogenetische Entwicklung der hirnphysiologischen Strukturen, unter besonderer Berücksichtigung der Fragestellung, ab welchem stammesgeschichtlichen Zeitpunkt so etwas wie ein rudimentärer Wunsch entstanden sein könnte. Aktuelle neurowissenschaftliche Befunde aus der Traumforschung werden im Hinblick auf Freuds Kernthese "Der Traum ist eine Wunscherfüllung" gewürdigt und kritisch hinterfragt.
Schlüsselbegriffe: Wunsch, Wunscherfüllung, dopaminerges System, seeking-system, Evolution des Wunsches
Dipl. Psych. Simone Mosch
simone.mosch@uzh.ch, s.mosch@neuro-maennedorf.ch
Emotionen und existenzielle Gefühle
Achim Stephan
Zusammenfassung: Affektive Phänomene sind durch besondere Formen der Intentionalität gekennzeichnet. Im Unterschied zu Emotionen beziehen sich existenzielle Gefühle nicht unmittelbar auf spezifische Situationen, Ereignisse oder Objekte, sondern auf die Welt als Ganzes: Sie sind Hintergrundorientierungen, die das, was wir jeweils wahrnehmen, erleben und denken, strukturieren. Neben einer Skizze der Vielfalt existenzieller Gefühle wird in diesem Beitrag ein Vorschlag zu deren Klassifizierung unterbreitet. Insbesondere soll zwischen elementaren, nicht-elementaren und atmosphärischen existenziellen Gefühlen unterschieden werden. Darüber hinaus werden Möglichkeiten der Regulation existenzieller Gefühle diskutiert und dabei solche Strategien untersucht, die bei der Emotions-Regulation eine wichtige Rolle spielen.
Schlüsselbegriffe: Emotionen, existenzielle Gefühle, Emotionsregulation
Prof. Dr. phil. Achim Stephan
achim.stephan@uos.de
"
bewege ich doch die Unterwelt" - Zur Aktualität der Psychoanalyse des Wunsches
Brigitte Boothe, Simone Mosch & Georg Schönbächler
Zusammenfassung: Die Fähigkeit, Wunschvorstellungen zu entwickeln, ist eine wichtige persönliche Ressource zur Aufrechterhaltung des Wohlbefindens. Sie erlaubt die mentale Kompensation einer Versagung, eines Mangels oder eines Verlustes. Bei vielen psychopathologischen Syndromen findet sich ein suboptimales hedonisches Wunschregulativ, beispielsweise bei der Depression und ihren anhedonischen Tendenzen, der Minussymptomatik bei der Schizophrenie oder bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen. Andererseits findet bei manischen und hypomanischen Zustandsbildern und bei Personen mit histrionischen und narzisstischen Tendenzen eine Evasion vor der Lebenswirklichkeit durch die Flucht in wunschgeleitete Fantasien statt.
Schlüsselbegriffe: Wunsch, Wunscherfüllung, Neuropsychoanalyse, hedonische Regulierung
Prof. em. Dr. phil. Brigitte Boothe
b.boothe@psychologie.uzh.ch
Affektive Intentionalität, die fundamentale Begründbarkeit unserer Emotionen und die Unbeschreibbarkeit des depressiven Erlebens
H. Andrés Sánchez Guerrero
Zusammenfassung: Das affektive Erleben in der Depression scheint oft nur noch metaphorisch erfasst werden zu können. Das könnte man zum Teil darauf zurückführen, dass die Betroffenen bei der Beschreibung ihrer Gemütslage ihre Aufmerksamkeit auf affektive Erfahrungsstrukturen richten, die nicht-emotionaler (bzw. nicht-intentionaler) Natur sind. Im Anschluss an eine Erläuterung der besonderen Rolle, die diese affektiven Strukturen bei der Stiftung von Sinn und Bedeutsamkeit spielen, werde ich in diesem Aufsatz dafür argumentieren, dass aufgrund der lediglich präintentionalen Verfassung jener Gefühle, die den Kern des depressiven Befindens ausmachen, wir eigentlich nicht genau sagen können, wie eine nicht-metaphorische Darstellung des affektiven Erlebens in der Depression aussehen könnte. Um den Grund des Problems zu verdeutlichen, werde ich in einem ersten Schritt die Intelligibilitätsart diskutieren, die für Emotionen (jedoch nicht für Stimmungen) typisch ist.
Schlüsselwörter: Affektive Intentionalität, evaluative Perspektive, emotionale Antwort, depressives Erleben, existenzielle Gefühle, Befindlichkeit
Andrés Sánchez Guerrero MD BSc
hsanchez@uni-osnabrueck.de
Skizzen zu einer psychologischen Analyse des Erzählens zwischen interaktiver Pragmatik und intrapsychischer Regulation
David Lätsch & Michael Bamberg
Zusammenfassung: Psychologen gehen in der Regel davon aus, dass in Erzählungen sich abbilde, was der Erzähler als (seine) Vergangenheit begreift. Diese analytische Einstellung hat ihre Vor-teile, verkennt aber das Veränderungspotenzial des Erzählens: Wer erzählt, gibt nicht nur einen Einblick in sein mentales Arrangement des Vergangenen, sondern er tut auch et-was. Im vorliegenden Beitrag stellen wir zwei Ansätze der Erzählanalyse vor, die sich für Aspekte dieses Tuns interessieren. Gesprächsanalytiker begreifen Erzählungen als eine Form kommunikativen Handelns zwischen Personen; die psychoanalytische Er-zählanalyse »JAKOB« fokussiert auf das, was im Erzähler sich tut, im innerpsychischen Spiel seiner Wünsche und Ängste. Beide Ansätze haben das Verdienst, über den Abbil-dungscharakter von Erzählungen hinauszusehen. Aber: Eine genuin psychologische Erzählanalyse müsste die Dimensionen des Interaktionalen und des Intrapsychischen zusätzlich in ihrem Zusammenspiel begreifen. Im letzten Teil des Beitrags skizzieren wir zwei Ansätze, die das versuchen: das Konzept der dialogischen Verdrängung (Billig, 1999) und dasjenige der dilemmatischen Identitätskonstruktion (Bamberg, 2011).
Schlüsselwörter: Erzählanalyse, Diskursanalyse, diskursive Psychologie, narrative Psychologie, Gesprächsanalyse, Konversationsanalyse, Psychoanalyse, Identität
lic. phil. David Lätsch
david.laetsch@laetsch.info
Erzählanalyse und Konstruktionsgrammatik
Marc Luder
Zusammenfassung: Die Erzählanalyse JAKOB beinhaltet als Grundlage für die interpretatorischen Arbeitsschritte bei der Bestimmung der Spielregel und der Konfliktdynamik eine Kodierung und Auswertung der lexikalischen Wahlen der Erzählerin. Das Kodiersystem ist im JAKOB-Lexikon abgebildet, die Lexikoneinträge sind Konstruktionen im Sinne der Konstruktionsgrammatik. Eine Konstruktion ist eine Form-Bedeutungseinheit und umfasst Merkmale der Syntax und Semantik wie auch pragmatische und funktionale Eigenschaften der Wortverbindung. Das Konstruktionslexikon beruht auf Gesprächsdaten; die Korpora belegen das Vorkommen der Wortverbindungen in Bezug auf Häufigkeit, Kontext und "Normalität" des Sprachgebrauchs. Der vorliegende Beitrag zeigt an einem Beispiel den Aufbau des Lexikons und seine Anwendung in der Erzählanalyse.
Schlüsselbegriffe: Erzählanalyse JAKOB, Lexikon, Konstruktionsgrammatik
Dr. phil. Marc Luder
m.luder@psychologie.uzh.ch
Sprachgeschehen struktureller Störungen. Narrative und interaktive Beziehungsgestaltung bei Patientinnen mit einer Borderline Persönlichkeitsstörung
Lina Arboleda & Vania Zschokke
Zusammenfassung: Erste zusammenfassende Ergebnisse des laufenden Dissertationsprojekts, das die narrative und interaktive Beziehungsgestaltung zwischen Patientinnen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung und ihren Therapeuten mittels zweier qualitativer Methoden untersucht, werden dargelegt. Während transkribierte Eröffnungs- und Beendigungsepisoden von ausgewählten Therapiestunden als exemplarische Szenen interaktiver Beziehungsgestaltung die Grundlage der Gesprächsanalyse bilden, werden für die Erzählanalyse aus derselben Therapiestunde Erzählungen extrahiert und mit Hilfe der Erzählanalyse JAKOB analysiert. Als Resultat der jeweils zusammengeführten Ergebnisse der beiden Untersuchungen soll eine erste vorläufige sprachbasierte Strukturtypologie dargestellt werden.
Schlüsselwörter: Borderline-Persönlichkeitsstörung, Strukturdiagnostik, Erzählanalyse, Gesprächsanalyse, Therapeutische Interaktion
Dr. des. Lina M. Arboleda
l.arboleda@psychologie.uzh.ch
Autobiografisches Erzählen als Ressource zur Bewältigung kritischer Lebensereignisse
Geneviève Grimm-Montel & Thomas Seeholzer
Zusammenfassung: Kritische Lebensereignisse treten als prägnante Vorkommnisse aus dem Erlebensfluss einer Person heraus. Sie sind mit hoher affektiver Bedeutung belegt. Als kritisch können sowohl negative als auch positive Ereignisse gelten. Ausschlaggebend ist das Ausmaß der subjektiv wahrgenommenen Belastung. Umbruchsituationen können auch Möglichkeiten zu einer persönlichen Weiterentwicklung bieten.
In einer Studie des psychologischen Instituts der Universität Zürich wurde in biographisch-narrativen Interviews mit Menschen im höheren Lebensalter der Frage nachgegangen, auf welche Ressourcen die interviewten Personen zur Bewältigung kritischer Lebensereignisse zurückgreifen.
Die psychoanalytisch orientierte Erzählanalyse JAKOB erwies sich als geeignete Methode, in autobiografischen Erzählungen zu Tod und Trennung die Dynamik des Prozesses der Verarbeitung einschneidender lebensgeschichtlicher Ereignisse aufzuzeigen.
Schlüsselwörter: autobiografisches Erzählen, Kritische Lebensereignisse, Bewältigungsstrategien, Erzählanalyse
Dr. phil. Geneviève Grimm
g.grimm@swissonline.ch
"Was führt Sie zu uns?" - ein Plädoyer für die Erfassung des Anliegens von Ratsuchenden
Valérie Boucsein, Hanspeter Mathys & Dragica Stojkovic
Zusammenfassung: Wer sich für ein psychotherapeutisches Erstgespräch anmeldet, trägt zumeist ein bestimmtes Anliegen an den Therapeuten heran. Die Aufgabe und Herausforderung für diesen besteht darin, dieses Anliegen zu verstehen und seinem Gegenüber dieses Verständnis mitzuteilen. In der reichhaltigen Literatur zum psychodynamischen Erstgespräch wird meist die Perspektive des Therapeuten diskutiert. Selten geht es um die Frage, wie der Ratsuchende sein Anliegen formuliert. In diesem Beitrag wird der Ansatz von Wilke (1992) vorgestellt, die anhand von Eröffnungssequenzen aus psychodynamischen Erstgesprächen dieser Frage nachgeht. Aufgrund eines empirischen Vergleichs zweier Eröffnungssequenzen lässt sich die Hypothese herleiten, dass Länge, inhaltliche Dichte und Struktur des ersten Redebeitrags eines Ratsuchenden Kriterien für die verständliche Vermittlung seines Anliegens sind.
Schlüsselwörter: Anliegen, psychodynamisches Erstgespräch
lic. phil. Valérie Boucsein-Keller
v.keller@psychologie.uzh.ch
"Mit diesem Gesicht
" - Stigmatisierung und face-work in der Identitätsarbeit gesichtschirurgischer Patientinnen und Patienten
Lisa Schäfer-Fauth, Joachim Küchenhoff, Martin Haug, Gabriele Lucius-Hoene & Daniel Sollberger
Zusammenfassung: Das Gesicht und seine möglichen Veränderungen sind kulturell, ethisch und sozial hoch besetzt. Dabei ist entscheidend, dass das Gesicht durch seine Exponiertheit ein besonders sensibler Verhandlungsplatz von Identität ist. Unzufriedenheit mit dem eigenen Gesicht oder mit dessen Veränderungen - durch natürliche Prozesse wie Alterung oder durch traumatische Ereignisse wie Unfälle, Verletzungen oder Tumore - kann mit einer tiefgreifenden Verunsicherung bezüglich der eigenen Identität einhergehen. Wie gesichtschirurgische PatientInnen darüber in Interviews sprechen, soll mit konversations- und erzählanalytischen Mitteln betrachtet werden. Anhand zweier Interviewbeispiele wird die stattfindende sprachlich-kommunikative "Arbeit am Gesicht" auf unterschiedlichen Ebenen betrachtet und mit den Konzepten des sozialen Stigmas und des face-work nach Goffman in Verbindung gebracht.
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r />Schlüsselwörter: Gesichtschirurgie, Identität, face-work, Stigma, Textanalyse
Dipl.-Psych. Lisa Schäfer-Fauth
lisa.schaefer@psychologie.uni-freiburg.de
Humorvolle Taktlosigkeit, Kreditierung interaktiv: Ein gesprächsanalytischer Werkstattbericht
Michael Frei, Konrad Michel & Ladislav Valach
Zusammenfassung: Ausgehend von einer auf den ersten Blick irritierenden Frage einer Interviewerin in einem Erstgespräch mit einer Patientin nach Suizidversuch, wird der Frage nachgegangen, was eine solche Intervention humorvoll macht, und was eine konkrete, potentiell humorvolle Intervention für die Entwicklung der Begegnung bedeuten kann. Der Beitrag befasst sich einerseits mit der konzeptuellen Beziehung zwischen der humoristischen Einstellung und der kreditierenden Haltung, die beide eine wohlwollende aber dennoch fordernde Haltung gegenüber dem Vis-à-vis proklamieren, und diskutiert andererseits, anhand eines konkreten Beispiels, die Chancen und Risiken einer solchen Intervention für die Interaktion. Ein theoretischer Zusammenhang zwischen Humor und Kreditierung als Haltung wird angedacht.
Schlüsselwörter: Konversationeller Takt und Taktlosigkeit, Humor, Kreditierung, Gesprächsanalyse
Dr. des. Michael Frei
m.frei@psychologie.uzh.ch
Die Verarbeitung von Lungentransplantationen aus psychodynamischer Perspektive
Marius Neukom & Tamara Lewin
Zusammenfassung: Die Transplantation von Organen gehört zu den beeindruckenden Erfolgsgeschichten der Medizin. Bis heute weiß man allerdings wenig darüber, welche psychischen Auswirkungen sie hat. Die Transplantation von Lungen etwa erfordert neben der psychischen Integration eines fremden und lebenswichtigen Organs im eigenen Körper und der Akzeptanz einer ununterbrochenen, in der Regel von starken Nebenwirkungen begleiteten Einnahme von Immunsuppressiva auch die Verarbeitung des häufig von latenten Schuldgefühlen begleiteten Umstands einer sogenannten Totspende. Im vorliegenden Artikel wird ein Forschungsprojekt vorgestellt, in dem Interviews mit Patientinnen und Patienten nach einer Lungentransplantation mit erzähl- und inhaltsanalytischen Methoden untersucht und in den Kontext eines psychodynamischen Modells der Organintegration gestellt wurden. Die Befunde ermöglichen ein vertieftes, auch für die medizinische und psychosoziale Begleitung dieser Patientinnen und Patienten aufschlussreiches Verständnis der psychischen Integrationsleistungen und unterschiedlichen Verarbeitungsformen.
Schlüsselwörter: Lungentransplantation, Organintegration, Empfänger-Spender-Beziehung, Fantasiebildung, Erzählanalyse, Inhaltsanalyse
Dr. phil. Marius Neukom
info@mneukom.ch
Die Kluft zwischen kontrollierter Forschung und klinischer Praxis in der Psychotherapie. Ein Blick in den Abgrund
Stephan Hau
Zusammenfassung: Vieles ist über die Kluft zwischen klinischer Praxis in der Psychotherapie einerseits und der empirischen Beforschung von Psychotherapie andererseits geschrieben worden. Darunter fällt auch die Kluft oder das Spannungsfeld zwischen Forschung und Praxis innerhalb der Psychoanalyse. Im Folgenden werden einige Aspekte der Verständigungsschwierigkeiten zwischen Klinikern und Forschern angesprochen, um so den "Abgrund", aber auch die Chancen und Herausforderungen für Neu- und Weiterentwicklungen zu beleuchten.
Schlüsselbegriffe: Psychotherapieforschung, Evidenz-basierte Psychotherapie, Prozeßforschung, Manual, EBP, Forschung
Prof. Dr. Stephan Hau
stephan.hau@psychology.su.se
Diagnostik und Veränderung der Persönlichkeitsstruktur bei Borderline-Persönlichkeitsstörung
Susanne Hörz
Zusammenfassung: Für Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung steht zur symptomatischen Diagnostik eine Vielzahl von Instrumenten zur Verfügung, weniger Möglichkeiten bieten sich zur psychoanalytischen Diagnostik an. Das Strukturierte Interview zur Persönlichkeitsorganisation (STIPO; Clarkin, Caligor, Stern und Kernberg, 2004) ermöglicht einen Zugang zur Persönlichkeitsdiagnostik jenseits der Symptomatik. Es untersucht in einem halbstrukturierten Format Dimensionen der Persönlichkeit nach dem objektbeziehungstheoretischen Modell von Otto Kernberg und liefert eine Einschätzung des Strukturniveaus. Das STIPO wird vorgestellt und anhand aktueller Forschungsergebnisse wird der Einsatz des STIPO zur Veränderungsuntersuchung der Persönlichkeitsstruktur diskutiert.
Schlüsselbegriffe: Strukturdiagnostik, strukturelle Veränderung, Borderline-Persönlichkeitsstörung, Persönlichkeitsorganisation
Dr. phil. Susanne Hörz
hoerz@psy.lmu.de
Grundprinzipien der psychoanalytisch-orientierten stationären Behandlung von Patienten mit schweren Persönlichkeitsstörungen
Gerhard Dammann
Zusammenfassung: Die Grundprinzipien einer psychodynamisch-orientierten stationären Behandlung von Patienten mit schweren Persönlichkeitsstörungen werden aufgezeigt. Dabei wird sichtbar, dass die stationäre Behandlung Chancen aber auch Risiken beinhaltet. Die stationäre Behandlung ist voller Parameter wie etwa Therapievereinbarungen, die jedoch reflektiert und integriert werden können. Die wichtigsten Wirkfaktoren sind eine Regression im Dienste des Ichs, das multiple Rollenangebot des multidisziplinären Behandlungsteam, in dem sich die interpersonellen Probleme in der Übertragung manifestieren können, die Kombination von verhaltensorientierten Fertigkeiten und psychodynamischem Verstehen, die Widerstandsanalyse, der Behandlungsfokus, der für das ganze Team gilt und einen Konflikt oder eine strukturelle Problematik in den Mittelpunkt der Behandlung rückt, die Berücksichtigung der äusseren Realität, sowie die angemessene Berücksichtigung von Nähe und Distanz in einer zeitlich limitierten Behandlung.
Schlüsselwörter: Persönlichkeitsstörungen, Borderline-Störung, Narzissmus, stationäre Behandlung, Psychotherapieforschung
Dr. med. Dipl.-Psych. Dipl.-Soz. Gerhard Dammann, MBA
gerhard.dammann@stgag.ch
Beziehungen im Brennpunkt -Möglichkeiten stationärer psychodynamisch orientierter Behandlung von Patienten mit schweren Entwicklungsbeeinträchtigungen der Persönlichkeit
Antje Frackenpohl & Ulrich Streeck
Zusammenfassung: Patienten mit schweren Entwicklungsstörungen der Persönlichkeit oder strukturellen Störungen galten noch bis in die 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts hinein als weitgehend unbehandelbar. Sie fanden sich vor allem unter der Klientel kustodialer und sozial-reglementierender Institutionen. Dort wurde allenfalls - wenn überhaupt - versucht, ihre Symptome medikamentös zu beeinflussen. Die Psychoanalyse, die einzige zu der damaligen Zeit entwickelte therapeutische Methode, war für die meisten dieser Patienten wenig geeignet. Auf die besonderen Bedingungen dieser Patienten abgestimmte therapeutische Modifikationen auf psychoanalytischer und psychodynamischer Grundlage waren nicht entwickelt.
Schlüsselwörter: Persönlichkeitsstörung, interpersonelle Beziehungen, psychoanalytisch-interaktionelle Methode
Dr. med. Antje Frackenpohl
a.frackenpohl@asklepios.com
Die Beziehungsepisode als Zugang zur Psychodynamik
Manfred Cierpka
Zusammenfassung: Unter Narrativen werden in der Psychotherapie meistens autobiographische Ereignisse verstanden, die der Patient erzählt. Ziel der psychodynamischen Therapie ist es, das psychische und körperliche Leiden mit bestimmten Ereignissen und Episoden aus dem Leben des Patienten zu verknüpfen. Die Beziehungserfahrungen können in den Erzählungen dieser Ereignisse sichtbar gemacht werden. Besonders festgefügte, repetitive Erfahrungen verdichten sich in Erzählepisoden. Klinisch dienen diese erzählten Beziehungsepisoden als Material, z.B. zur Analyse der Übertragungsbereitschaften des Patienten. Klinisch orientierte Instrumente versuchen inzwischen die Übertragungsdynamik zu objektivieren. Am bekanntesten wurde die Methode des Zentralen Beziehungskonflikt-Themas. Beispielhaft wird ein Narrativ einer Patientin vorgestellt und dann mit der Achse 2 "Beziehungen" der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik evaluiert, die eine Analyse von Übertragung und Gegenübertragung erlaubt.
Schlüsselwörter: Narrativ, Erzählen in der Psychotherapie, Übertragungsforschung, Zentrales Beziehungskonflikt-Thema (ZBKT), Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik (OPD)
Prof. Dr. med. Manfred Cierpka
manfred_cierpka@med.uni-heidelberg.de
Fokussieren bei Behandlungskrisen
Rudolf Lachauer
Zusammenfassung: Die Gleichsetzung von Fokus mit Kurztherapie wird der Bedeutung dieses Konzepts im Rahmen der analytischen Methode nicht mehr gerecht. Fokussieren, verstanden als Erarbeitung eines Fokalsatzes mit einer »Sinn-Gestalt«, kann eine wesentliche Hilfe im Rahmen eines analytischen Prozesses sein, bei dem sich eine Zuspitzung der analytischen Beziehung in Form einer Behandlungskrise ereignet.
Schlüsselwörter: Fokus, Behandlungskrisen, Supervision, Psychoanalyse, Fokaltherapie
Dr. med. Rudolf Lachauer
rud.rei.la@t-online.de
Das Verhältnis zwischen Kindheit und Adoleszenz - zum Konzept der Adoleszenz als zweite Entwicklungschance
Mario Erdheim, Carmelo Campanello & Marc Stoll
Zusammenfassung: In der Adoleszenz kommt es zu einer Wiederbelebung frühkindlicher Traumatisierungen und Defizite, die nun so übersetzt werden, dass sie einer Lösung und Korrektur zugänglich werden. Aufgabe der Therapie ist es, dem Individuum zu ermöglichen, diese Chance zu ergreifen. Am Beispiel zweier Therapien wird diese These illustriert.
Schlüsselwörter: Adoleszenz, Aggression, Dissozialität
Dr. phil Mario Erdheim
erdheim@bluewin.ch
Fallbeispiel Bulimie im Kontext psychodynamischer Denkkonzepte
Erika Toman
Zusammenfassung: Im Fallbeispiel wird gezeigt, wie bei der Behandlung der Bulimie sowohl das Verhalten der Betroffenen als auch ihr Erleben im Zusammenhang mit ihrer individuellen psychodynamischen Konstellation verstanden und behandelt werden kann.
Schlüsselwörter: Essstörungen, Bulimie, Anorexie, Psychodynamik
Dr. phil. Erika Toman
erika.toman@esstoerungen-adipositas.ch