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rausch · Wiener Zeitschrift für Suchttherapie

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2013-2

Überregionale Forschungsgruppe am Sigmund-Freud-Institut zu den psychosozialen Spätfolgen der Shoah 
Editorial: Antisemitismus/Erfahrungen - Spätfolgen der Shoah und Antisemitismus heute

Lars Rensmann 
Die Ausgrenzung des Eigenen und die Exklusion der "Anderen”. Zur politischen Psychologie des Antisemitismus heute
Zusammenfassung

Kurt Grünberg, Friedrich Markert 
Von einem Günter Grass erschossen? Szenisches Erinnern der Shoah
Zusammenfassung

Jan Lohl 
»Die Deutschen wurden bestraft, die Juden nicht«. Zur Konstitution des Antisemitismus nach Auschwitz im Alltagsdiskurs der 1950er Jahre
Zusammenfassung

Andrea Neugebauer 
"Ein Jude war für uns en Mensch wie en annern aach". Reproduktion von Antisemitismus im Gespräch über die NS-Vergangenheit
Zusammenfassung

Ruth Zeifert 
"Dass endlich mal mich einer definiert, als des, als was ich mich so ein bisschen ja doch fühle". Über Paradoxien, unter welchen "Vaterjuden" ein jüdisches Selbstbild konstruieren
Zusammenfassung

Katharina Rothe 
Antisemitismus in Deutschland im Kontext der Abwehr von Schuld und Scham
Zusammenfassung

Kurt Grünberg 
Ist das Antisemitismus? Deutsch-jüdische Erfahrungen nach der Shoah
Zusammenfassung

Julia Bernstein und Lena Inowlocki 
Kommunikationsscheitern und stigmatisierende Kategorien antisemitischer und fremdenfeindlicher Diskurse: Erfahrungs-perspektiven und Interventionsformen
Zusammenfassung

 


Die Ausgrenzung des Eigenen und die Exklusion der "Anderen” - Zur politischen Psychologie des Antisemitismus heute
Lars Rensmann

Abstract:
Antisemitismus ist ein anhaltendes Thema politischer Öffentlichkeit. Dabei wird heute zugleich, scheinbar paradoxer Weise, oftmals die Existenz von Judenfeindschaft als sozialem Phänomen bestritten. Der Beitrag geht der These vom "Verschwinden des Antisemitismus" nach und diskutiert Perspektiven einer politisch-psychologischen Forschung zum Antisemitismus in der Gegenwart. Hierzu werden theoretische Thesen und Modelle entwickelt, die im Blick auf aktuelle Kontroversen und sozialwissenschaftliche Befunde im deutschen sowie europäischen Kontext auf ihre empirische Validität befragt werden. Entgegen der These vom Verschwinden des Antisemitismus, die zugleich Judenfeindschaft auf einen vornehmlich illegitimen Vorwurf reduziert, gibt es zahlreiche Indikatoren dafür, dass Ausgrenzungen des Eigenen - die Abspaltung und Verdrängung unbewusster individueller und kollektiver Selbstanteile - sich auch heute in verschiedenen psychischen, sozialen und politischen Kontexten in der Exklusion jüdischer Anderer Bahn bricht. Indes haben antisemitische Projektionen und Dynamiken, die gesellschaftlich sedimentierte Bilder von Juden aufgreifen, gegenüber klassischen Motiven teils Verschiebungen und neue Rationalisierungen erfahren. Dies macht sowohl den Rückgriff auf politische Psychologie und Psychoanalyse, als auch die Entwicklung neuer diskurskritischer und empirischer Methoden erforderlich, die - analog zur kulturellen Rassismusforschung - die binären Muster und Codierungen eines ‘modernisierten’ Antisemitismus erfassen und rekonstruieren.

Schlüsselwörter: Antisemitismus, Demokratie, Erfahrung, Exklusion, politische Psychologie, Projektion


Lars Rensmann
lrensmann@johncabot.edu

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Von einem Günter Grass erschossen? Szenisches Erinnern der Shoah
Kurt Grünberg,Friedrich Markert

Abstract:
Anhand der heftigen Empörung eines Überlebenden der Shoah, Abraham L., im Treffpunkt für Überlebende der Shoah in Frankfurt am Main über das ‚Gedicht’ "Was gesagt werden muss" des Schriftstellers Günter Grass wird in diesem Beitrag das Konzept des szenisches Erinnerns der Shoah dargestellt. In der Begegnung mit einem Psychoanalytiker, der im Treffpunkt tätig ist, vergegenwärtigt sich die Verfolgungsgeschichte von Abraham L.. Es wird sichtbar, wie wesentliche Aspekte der extremen Traumatisierung szenisch erinnert und tradiert werden. Zudem enthält der Beitrag eine Erörterung des Themas Erinnern und Gedächtnis.

Schlagwörter: Antisemitismus, extremes Trauma, Szenisches Erinnern der Shoah, Überlebende in Deutschland, Günter Grass


Kurt Grünberg
gruenberg@sigmund-freud-institut.de

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»Die Deutschen wurden bestraft, die Juden nicht« - Zur Konstitution des Antisemitismus nach Auschwitz im Alltagsdiskurs der 1950er Jahre
Jan Lohl

Abstract:
Der folgende Artikel skizziert zunächst ein Forschungsprojekt, in dem die psychosoziale Dynamik des Übergangs von der nationalsozialistischen in die westdeutsche Gesellschaft untersucht wird. Als empirisches Material dienen hierbei Gruppendiskussionen, die Anfang der 1950er Jahre am Frankfurter Institut für Sozialforschung erhoben, aber bislang noch nicht systematisch mit qualitativen Methoden ausgewertet worden sind. Anschließend wird die tiefenhermeneutische Interpretation einer Gruppendiskussionssequenz vorgestellt. Aus einer dezidiert psychoanalytischen Perspektive wird exemplarisch deutlich, wie sich Antisemitismus nach Auschwitz aktualisieren kann: Juden werden unbewusst zu den TäternInnen und Herrenmenschen gemacht, die viele (nicht-jüdische) Deutsche in der NS-Zeit waren oder werden konnten. Über eine projektive Identifizierung externalisieren Antisemiten genau die narzisstischen und destruktiven Selbstanteile, die es ihnen ermöglichen, zu TäterInnen zu werden. Antisemitismus nach Auschwitz hat hierbei aber nicht nur die Funktion der Abwehr von Täterschaft und Schuld, sondern er schützt die psychisch attraktiven »Täteranteile«, indem er sie externalisiert - im Judenbild - aufbewahrt.

Schlagworte: sekundärer Antisemitismus, Antisemitismusforschung, qualitative Sozialforschung, Tiefenhermeneutik, Psychoanalyse, Gruppendiskussion, kritische Theorie.


Jan Lohl
lohl@sigmund-freud-institut.de

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"Ein Jude war für uns en Mensch wie en annern aach" - Reproduktion von Antisemitismus im Gespräch über die NS-Vergangenheit
Andrea Neugebauer

Abstract:
Im vormaligen ‚Dritten Reich’ lebten nach 1945 Menschen zusammen, die von unterschiedlichen Positionen aus Erfahrungen mit antisemitischen Handlungen gemacht hatten. Nach der Verfolgung, Vertreibung und Ermordung der Juden waren Antisemitismus-Erfahrungen daher in die Erfahrungszusammenhänge nahezu aller eingeschrieben. ‚Bekannt’ war nicht allein das eigene Verhalten, sondern auch das von Familie, Nachbarn, Bekannten und KollegInnen. Begegnungen von Menschen mit unterschiedlichen Haltungen zu dieser Vergangenheit waren alltäglich.
Im folgenden Beitrag wird anhand eines empirischen Beispiels rekonstruiert, wie nicht-jüdische Deutsche mit differierenden Erfahrungsprozessen umgehen. Es zeigt sich, dass die Suche nach Gemeinsamkeit untereinander, über Differenzen hinweg, eine bedeutende Rolle spielt, die zugleich die Suche nach den Zeichen einer ‚Andersartigkeit’ von Juden nach sich zieht. Im Horizont der Interaktionen wird Differenz als Problem reproduziert, werden Anpassungserwartungen geschaffen, die sich als unreflektierte Selbstverständlichkeit neuerlich - nicht allein - gegen Juden richten.
Darüber hinaus zeigt sich, dass in den Jahren seit dem Nationalsozialismus ein Arrangement gefunden wurde, das als ‚komplexe Versöhnung’ im Alltag bezeichnet werden kann. Mit ihm wird nicht intendiert, das Krisenpotential der Differenzen aufrecht zu erhalten. Es trägt dazu bei, dass um der Bewahrung der Gemeinsamkeit willen der Ausschluss von Juden als ‚Andere’ - und damit Antisemitismus - beständig reproduziert wird.

Schlagworte: Sekundärer Antisemitismus, ‚Andersartigkeit’, Kollektivzuschreibung, Konformität, Novemberpogrom, Nationalsozialismus, Nachkriegszeit, Interaktionsanalyse, rekonstruktive Sozialforschung.


Andrea Neugebauer
AndreaNeugebauer@gmx.net

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"Dass endlich mal mich einer definiert, als des, als was ich mich so ein bisschen ja doch fühle" - Über Paradoxien, unter welchen "Vaterjuden" ein jüdisches Selbstbild konstruieren
Ruth Zeifert

Abstract:
Wer einen jüdischen Vater und eine nichtjüdische Mutter hat, ist dem religiös jüdischen Gesetz nach kein Jude. Von "Vaterjuden" wird dies häufig als die über ihren Status bestimmende Aussage anerkannt. Dass das Selbstbild dieser Fremdzuschreibung dennoch aus unterschiedlichen Gründen widersprechen kann, war Ergebnis einer Fallstudie, in der sich "Vaterjuden" über ihr Verhältnis zum Judentum und Jüdischsein äußerten. Manche berichteten anhand ihrer Erfahrungen von Antisemitismus darüber, wie grotesk Ausgrenzungs- und Zugehörigkeitserfahrungen dieser jüdisch/nichtjüdischen Herkunftskonstellation sein können. Judenfeindliche Äußerungen können als Paradox erlebt werden, denn zum einen lehnen "Vaterjuden" judenfeindliche Stereotypisierungen vehement ab, zum anderen formulieren "Vaterjuden", dass sie über eine judenfeindliche Zuschreibung ihr jüdisches Selbstbild bestätigt sehen können.
Im folgenden Artikel werden die Fragen nach der Anerkennung des jüdischen Selbst und der Identitätskonstruktion vor teilweise widersprüchlichen einschließenden und ausgrenzenden Erfahrungen rekonstruiert.

Schlagworte: Vaterjuden, patrilinear, patrilinear jüdisch, jüdischer Vater, teiljüdische Herkunft, teiljüdisch Identitätsdilemma, halbjüdisch, Halbjude, Antisemitismuserfahrungen, positive Antisemitismuserfahrungen


Ruth Zeifert
rz@starzel.de

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Antisemitismus in Deutschland im Kontext der Abwehr von Schuld und Scham
Katharina Rothe

Abstract:
Diesem Beitrag liegt qualitatives Erhebungsmaterial aus Gruppendiskussionen und Interviews mit nicht-jüdischen Deutschen über eine Deportation der Jüdinnen und Juden aus einer deutschen Stadt im Jahre 1941 zugrunde. Mit Methoden der psychoanalytischen Sozialforschung analysiert die Autorin Szenen, in die sie sich als Forscherin mit den Teilnehmenden aus verschiedenen Generationen verstrickt. Diskutiert wird, wie Antisemitisches produziert oder aber antisemitische Dynamiken durchbrochen werden, welche Positionen dabei eingenommen beziehungsweise zugewiesen werden. Schließlich werden die Szenen im Hinblick auf ihre intergenerationelle Bedeutung und mögliche Funktionen im Kontext der Abwehr von Schuld und Scham analysiert. Als zentral erweist sich die intergenerationelle Weitergabe der narzisstischen Kränkung ob der Konfrontation mit den nationalsozialistischen Verbrechen.

Schlagwörter: Antisemitismus, nicht-jüdische Deutsche, intergenerationelle Weitergabe, Abwehr von Schuld und Scham, szenisches Verstehen


Katharina Rothe
rotkathz@gmail.com

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Ist das Antisemitismus? Deutsch-jüdische Erfahrungen nach der Shoah
Kurt Grünberg

Abstract:
Bislang gibt es nur wenige Publikationen, in denen aus der Perspektive von Juden deren Erleben institutioneller Konflikte mit nicht-jüdisch-deutschen Kolleginnen und Kollegen in diesem Land untersucht werden. Ähnliches gilt für die ‚Gegen’-Perspektive, wie nämlich dieselben Konflikte aus Sicht der nicht-jüdischen Mehrheitsgruppe aussehen. Hier ginge es um die Wahrnehmung von Juden vor dem Hintergrund der Shoah, aber auch um die Verstrickung der eigenen Familien von meist Nazi-Tätern bzw. -Mitläufern. Am Beispiel von Erfahrungen jüdischer Mitarbeiter in deutschen Institutionen wird in dem vorliegenden Beitrag der Frage nachgegangen, ob die jeweiligen kollektiven Erinnerungs- und Erfahrungsdimensionen von Angehörigen der Zweiten Generation von Überlebenden der Shoah und von der nicht-jüdisch-deutschen Kollegenschaft im Sinne eines szenischen Erinnerns der Shoah betrachtet werden können. Manifestieren sich hier subtile Formen von "Antisemitismus/Erfahrungen"? Solche Erfahrungen, vor allem aber die sich in ihnen entfaltende Psychodynamik, werden im Folgenden dargestellt und diskutiert.

Schlagwörter: Antisemitismus, Psychoanalyse des Antisemitismus, Szenisches Erinnern der Shoah, Spätfolgen extremen Traumas, Gruppenphänomene in Institutionen


Kurt Grünberg
gruenberg@sigmund-freud-institut.de

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Kommunikationsscheitern und stigmatisierende Kategorien antisemitischer und fremdenfeindlicher Diskurse: Erfahrungsperspektiven und Interventionsformen
Julia Bernstein und Lena Inowlocki

Abstract:
Unser Beitrag richtet sich auf Auswirkungen von Stereotypen und Vorurteilen auf Alltagskommunikation am Beispiel gescheiterter Interaktionssituationen. An der Perspektive Beteiligter auf gescheiterte Kommunikation wird deutlich, dass eigene Migrationserfahrung, dequalifiziter Status und antisemitische Diskurse sich miteinander verketten und unauflösbar verbinden. An einem weiteren Beispiel lässt sich zeigen, wie die vorurteilshafte - antisemitische - Rede das Einverständnis einer - jüdischen - Zuhörerin erheischt. Im zweiten Teil beziehen wir uns auf unsere Erfahrungen in der Lehre, wenn wir versuchen, Studierende für vorurteilshafte Rede und Fremd-Machen (Othering) zu sensibilisieren. Der Beitrag ist ein work in progress und basiert auf Feldnotizen aus unseren Forschungs- und Lehrerfahrungen, die als Denkstöße für zukünftige, theoretisch fundiertere Studien betrachtet werden sollen.

Schlagwörter: Ressentiments in Alltags- und Nachrichtenmediendiskursen, Fremdheitserzeugende Kommunikation, Lehrsituationen mit Studierenden der Sozialen Arbeit und im Lehramt


Julia Bernstein
jbernste@uni-koeln.de

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