Wird ein Straftäter nach seiner Behandlung in der forensischen Klinik oder nach Verbüßung der Strafe im Gefängnis wieder rückfällig? Die Beurteilung anhand scheinbar objektiver, standardisierter Vorhersagemethoden ist häufig fragwürdig. Andrej König berichtet, dass sie relativ "gut Nicht-Rückfälligkeit voraussagen können, jedoch bei der Vorhersage von erneuter Straffälligkeit zu deutlich mehr falschen ... Klassifizierungen führen."
König sieht als Ursache einerseits, dass die meisten Standardverfahren nicht in Deutschland, sondern im angloamerikanischen Raum entwickelt wurden. Anderseits sieht er einen Mangel an individueller Spezifität: "Ohne eine systematische Normierung für den deutschsprachigen Raum, für unterschiedliche Settings (Maßregelvollzug, Strafvollzug, forensische Nachsorge, Bewährungshilfe et c.), für unterschiedliche Anlassdelikte, unterschiedliche Altersgruppen, unterschiedliche psychische Störungsbilder sowie unterschiedliche soziale Empfangsräume bleiben die ermittelten Risikograde im Einzelfall reine Spekulation über Wahrscheinlichkeiten künftigen menschlichen Verhaltens.
Diese Kritik gilt selbstverständlich auch für rein intuitiv-klinische Gefährlichkeitsprognosen. Die besondere Gefahr standardisierter Kriminalprognoseverfahren besteht jedoch darin, dass sie bei Sachverständigen und Gerichten den Anschein erwecken, man könne die Wahrscheinlichkeit für zukünftiges delinquentes Verhalten einer Person präzise empirisch bestimmen," schreibt Andrej König.
Forensische Prognosen – Ein transdisziplinäres Praxismanual
Standards · Leitfäden · Kritik
Kobbé, Ulrich (Hrsg.)
Pabst, 528 Seiten, Hardcover